Zyto-Skandal

NRW: Mängel in allen Zyto-Apotheken

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Berlin -

Die Ergebnisse der Kontrollen von Zyto-Apotheken in Nordrhein-Westfalen waren anscheinend weniger erfreulich, als es nach der ersten Bekanntgabe erschien. Dem Recherchenetzwerk Correctiv zufolge habe es in jeder Sterilherstellung des Bundeslandes mindestens geringe Mängel gegeben. Eine Apotheke stach jedoch heraus.

123 Proben aus 116 Apotheken hatten die Kontrolleure genommen und nur eine davon sei zu beanstanden gewesen, hieß es Ende vergangener Woche aus dem NRW-Gesundheitsministerium. Auf Nachfrage von Correctiv räumte es jedoch ein, dass die Mängelliste doch länger ist, als die Ergebnisse der Zyto-Proben vermuten ließen. „In allen kontrollierten Apotheken wurden nach derzeitigem Kenntnisstand Mängel festgestellt”, so das Ministerium.

Insgesamt 897 Mängel haben die Kontrolleure demnach in den untersuchten Apotheken festgestellt. Der überwiegende Teil, nämlich 761, waren Dokumentationsmängel. 136 waren organisatorischer Natur. Diese wiederum wurden in Mängel mit geringer Schwere eingeteilt sowie in schwere Mängel, die „über die Mängelbeseitigung hinausgehende Maßnahmen erfordern“. Lediglich acht Fälle fielen unter die zweite Kategorie. Aber: Sie alle wurden in ein und derselben Apotheke festgestellt.

Um welche es sich dabei handelte, verriet das Ministerium unter Berufung auf den Datenschutz nicht. Zum 1. Juni 2018 wurde ihr die Zytostatika-Herstellung untersagt. Sechs Wochen später, am 12. Juli, wurde die Sperre jedoch wieder aufgehoben, die Mängel wurden anscheinend beseitigt. Darüber hinaus betonte das Ministerium, die festgestellten Mängel hätten keinen Einfluss auf die inhaltliche Zusammensetzung der Medikamente gehabt, sie sei nicht zu beanstanden gewesen.

Entsprechend kam auch die eine Zytostatika-Probe, die zu beanstanden war, nicht aus der gesperrten Apotheke. Auf Nachfrage hat das Ministerium erläutert, dass es sich dabei um einen Rückläufer mit dem Wirkstoff Gemcitabin-Hydrochlorid mit einer Unterdosierung von -17,8 Prozent gehandelt hat. „Aus arzneimittelrechtlicher Sicht war die Probe damit nicht erheblich in ihrer Qualität gemindert”, zitiert Correctiv aus der Antwort. Bei Nachkontrollen sei dann aber auch in dieser Apotheke alles in Ordnung gewesen.

Im Gerichtsprozess gegen den ehemaligen Inhaber der Alten Apotheke, der jahrelang Zytostatika absichtlich unterdosiert hatte, berücksichtigte die Anklage lediglich Zubereitungen, die mindestens 20 Prozent unterdosiert waren. Für derartige Manipulationen hätten sich im Rahmen der Kontrollen keinerlei Anzeichen gefunden, versichert das Ministerium. Vielmehr seien die Ergebnisse der Nachweis, „dass die Herstellung von patienten-individuellen Zytostatika-Zubereitungen im Land qualitativ hochwertig und entsprechend den ärztlichen Verordnungen erfolgt“.

Das Gesundheitsministerium hatte Anfang April angekündigt, bis 30. Juni alle Zyto-Apotheken in Nordrhein-Westfalen kontrollieren zu lassen. Die Aktion war eine Konsequenz aus dem Skandal um den Apotheker Peter Stadtmann. Der hatte aus Habgier jahrelang Zytostatika absichtlich unterdosiert. Anfang Juli wurde er wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz in 14.000 Fällen sowie 59 Betrugsfällen zu einer Haftstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Außerdem erhielt er ein lebenslanges Berufsverbot. Für Mord, Körperverletzung oder versuchten Mord wurde er jedoch nicht verurteilt. Die Anklage hatte das gefordert.

Auch Bottrop, Gelsenkirchen und Recklinghausen haben Konsequenzen aus dem Skandal gezogen. Bisher hatten die beiden Städte sowie der Kreis Recklinghausen eine gemeinsame Apothekenaufsicht, bei der eine Amtsapothekerin für alle rund 250 Apotheken zuständig war, darunter fünf Zyto-Apotheken. „Beim Skandal um die Alte Apotheke hat sich gezeigt, dass das nicht hinreichend ist“, so ein Sprecher der Stadt Bottrop.

Die bisher einzige Amtsapothekerin hat ihren Dienstsitz beim Gesundheitsamt Recklinghausen. Im Januar wurde sie selbst vor Gericht verhört, nachdem sie zuvor vergeblich versuchte, ein Zeugnisverweigerungsrecht in Anspruch zu nehmen. Zwischen 2011 und 2016 führte sie drei offizielle Kontrollen durch, die sie jeweils vorher ankündigte. Die Manipulationen an den Zytostatika blieben bei allen drei Begehungen unentdeckt, unter anderem, weil keine Analysen der hergestellten Infusionen gemacht worden waren. Wegen dieser schlechten Erfahrungen werde die städteübergreifende Zusammenarbeit nun abgewickelt. Aufgrund vertraglicher Bindungen wird das aber noch bis Ende des Jahres dauern. Ab Anfang 2019 soll jeweils ein Amtsapotheker zuständig sein.

Für die Alte Apotheke, von der der Skandal ausging, brach unterdessen eine neue Zeit an: Seit Mittwoch gilt die Betriebserlaubnis der neuen Inhaberin Vera-Christin Kaminski. Sie lässt den belasteten Namen hinter sich und betreibt das Traditionshaus nun als City-Apotheke. Bis zum 31. Mai arbeitete Kaminski als angestellte Apothekerin in der Rats-Apotheke im 100 Kilometer entfernten Soest. Die Apotheke wiederum gehört Hubertus Ahaus, laut dem Recherchenetzwerk Correctiv ein alter Bekannter des verurteilten Apothekers.

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