Digitalisierung

Der Youtube-Arzt

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Berlin -

Dr. Johannes Wimmer ist Radiologe. Der 33-Jährige arbeitet an der Uniklinik Hamburg-Eppendorf (UKE); allerdings nur halbtags. Noch mehr Patienten erreicht er online, mit Videoclips auf dem Youtube-Kanal „Dr. Johannes“ und dem der Techniker Krankenkasse (TK). Dort hat sein beliebtestes Video mehr als 330.000 Klicks. Im Interview mit APOTHEKE ADHOC ruft er Apotheker auf, digitale Medien zum Wohle der Patienten zu nutzen.

ADHOC: Wie sind Sie darauf gekommen, Erklärvideos zu medizinischen Themen aufzunehmen?
WIMMER: Mir ist aufgefallen, dass ich mich im Gespräch mit dem Patienten ständig wiederhole. Apotheker kennen das sicherlich auch: Zu einem bestimmten Krankheitsbild – oder einem bestimmten Medikament – erklärt man erst einmal vier Minuten immer dasselbe, bevor es etwa eine Minute lang individuelle Hinweise für den Patienten gibt. Ich wollte den Patienten Grundlagen an die Hand geben. Erklärungen, die sie sich zur Vorbereitung auf einen Arzttermin oder auch nach der Behandlung noch einmal ansehen können.

ADHOC: Wieso haben Sie dafür Youtube-Clips ausgewählt?
WIMMER: Videos funktionieren einfach besonders gut, besser als Texte oder Bilder. Denn damit kann man ein Gespräch am besten imitieren: Wenn ich zum Beispiel direkt in die Kamera sehe, fühlen sich die Zuschauer, als würde ich mit ihnen sprechen. Sie fühlen sich verstanden und haben den Eindruck, dass ich mir als Arzt Zeit für sie nehme.

ADHOC: Im August 2013 startete Ihr Videoblog. Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Clip?
WIMMER: Ich glaube, darin ging es um die größten Arztgeheimnisse: Fachwörter, die Ärzte oft verwenden, sie aber nicht immer erklären. Inzwischen drehe ich für die TK und den NDR. Ich habe viel dazugelernt – und lerne immer noch viel dazu. Zum Beispiel, dass man in den Videos Fachwörter unbedingt erläutern muss, wenn man sie verwendet. Am besten sollte man locker reden. Bei sehr komplizierten Themen bereite ich mich intensiv vor, damit ich alles mit einfachen Worten korrekt erkläre. Und wenn ich Videos über Arzneimittel drehe, geht das nicht ohne Absprache mit dem Hersteller. Da steht vorher schon jedes Wort fest.

ADHOC: Für den NDR haben Sie die Sendung „Der Medikamenten-Check“ moderiert. Sollte das nicht ein Apotheker als Arzneimittelexperte machen?
WIMMER: Dass manche Ärzte und Apotheker immer noch denken, dass ihr Machtbereich hinter einer Glastür anfängt beziehungsweise aufhören sollte, ist fatal. Die Kette bei der Medikamentenverschreibung beginnt beim Arzt und führt dann zum Apotheker. Deswegen ist es nicht verkehrt, wenn auch einmal ein Arzt die Anwendung der Mittel erklärt. In der Sendung haben wir außerdem versucht zu zeigen, dass der Arzt beim Verschreiben Fehler machen kann, so wie auch der Patient manches falsch machen kann. Deswegen ist der Apotheker ja so wichtig. Wir hätten für „Der Medikamenten-Check“ gerne einen Apotheker mit an Bord gehabt, wir haben ja auch viel in einer Apotheke gedreht. Aber grundsätzlich finde ich, dass es egal ist, wer mir etwas erklärt: Wenn mir etwa meine Oma in einem Video richtig gut zeigt, wie ich ein Medikament einnehmen soll, würde ich mir das auch ansehen.

ADHOC: Was sollte ein Apotheker mitbringen, der Medikamente in Videos erklären will?
WIMMER: Vor allem Passion. Man muss nicht gut aussehen, muss auch nicht perfekt Deutsch sprechen können und kann sogar ein paar Ticks haben: Wichtig ist, dass man mit Leidenschaft dem Zuschauer etwas erklären will. Man muss dazu nicht unbedingt Apotheker sein; auch PTA können das.

ADHOC: Wie haben digitale Medien das Verhältnis zwischen Heilberuflern und Patient verändert?
WIMMER: Da gibt es so viele Beispiele. Etwa die Notdienst-Apps, die es für die Patienten leichter machen, eine Apotheke zu finden. Dann die Plattform Jameda, auf der Ärzte und Apotheker bewertet werden können. Schließlich informiert sich die Mehrheit mittlerweile online über ihre Symptome. Und im Internet findet man auch viele Informationen – allerdings ist deren Qualität fraglich. Aber das ist nicht die Schuld der Nutzer; die haben jedes Recht, sich informieren zu wollen. Sondern die der Ärzte und Apotheker, die wohl aus Bequemlichkeit das Internet ignorieren, obwohl ihre Patienten dort sind.

ADHOC: Wie könnten Apotheker das Internet nutzen?
WIMMER: Eine Idee wären Videos oder dynamische Beipackzettel zu Arzneimitteln. So im Stil von „Die 20 häufigsten Fragen zu diesem Medikament“, die dann in einem Video beantwortet werden. Über das Smartphone wird es viele Möglichkeiten geben. Wenn zum Beispiel der Patient im Supermarkt Grapefruitsaft kauft, könnte ihn eine App warnen, welche Medikamente dazu nicht eingenommen werden sollten. Die Adhärenz könnte mit digitalen Medien verbessert werden, indem etwa eine App den Patienten erinnert, dass er sich eine Insulinspritze setzen muss, auch wenn das unangenehm ist.

ADHOC: Am Competenzcentrum Versorgungsforschung in der Dermatologie des UKE sind Sie „Head of Digital Patient Communication“. Was machen Sie?
WIMMER: Wir erforschen, welchen Effekt die digitale Patientenversorgung hat. Wir befragen Patienten, denen zum Beispiel vor einer Operation mit einer App oder Videos der Eingriff erklärt wird. Die Behandelten werden damit auch in Bereichen wie der Orthopädie geschult. Sie lernen, wie sie sich nach einer Hüftprothesen-OP verhalten sollten. Der subjektive Behandlungseffekt wurde von auf diese Weise vorbereiteten Patienten doppelt so positiv eingeschätzt. Das ist wichtig, denn dass die Behandlung objektiv gut ist, kann in Deutschland angenommen werden. Gerade bei chronischen Erkrankungen ist es zusätzlich wichtig, dass zwischen den Behandelnden und dem Patienten eine Beziehung aufgebaut wird. Dazu muss der Patient mit dem Arzt – oder Apotheker – zufrieden sein. Dann kommt er gerne wieder.

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