Großbritannien

NHS-Skandal: „Schreckliches, schreckliches Bild“

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Berlin -

Ein stundenlang auf dem Fußboden eines britischen Krankenhauses liegendes Kind hat die Debatte um den maroden Gesundheitsdienst NHS im Wahlkampf befeuert. Als ein Reporter des Fernsehsenders ITV ein Bild des Jungen Premierminister Boris Johnson zeigte und um Stellungnahme bat, kassierte der kurzerhand das Handy ein. Erst auf Protest des Journalisten gab Johnson das Handy wieder zurück und sprach von einem „schrecklichen, schrecklichen Bild“.

Nach einer am Dienstag in Teilen vom „Guardian“ veröffentlichten Studie sollen seit 2016 insgesamt 5449 Menschen in England gestorben sein, nur weil sie zu lange in Notfallaufnahmen warten mussten. Die Wartezeiten betrugen demnach zwischen sechs und elf Stunden. Eine Patientenorganisation sprach von „sehr besorgniserregenden Ergebnissen“. Die Studie war von NHS-Ärzten erstellt worden.

Der vierjährige Jack lag mehrere Stunden auf Jacken auf dem Boden der Klinik in Leeds, obwohl bei ihm Verdacht auf eine Lungenentzündung bestand. Johnson sagte nach dem Vorfall am Montag, er habe sich bei den Eltern entschuldigt. Der „Mirror“ berichtete am Dienstag von einem ähnlichen Fall eines Babys, das an Durchfall und einer Ohrenentzündung litt, in einem anderen Krankenhaus. Es gebe nicht genug Betten, Krankenschwestern und Geld, kritisierte die Mutter.

Der Chef der Labour-Partei, Jeremy Corbyn, sagte am Dienstag im BBC-Interview, dass es sich nicht um Einzelfälle handele. Auch viele Senioren müssten unter den Zuständen im Gesundheitsbereich leiden. Der NHS zählt – neben dem Brexit – zu den Topthemen des Wahlkampfs. Die Briten wählen am Donnerstag ein neues Parlament. Sowohl Johnson als auch die Oppositionsparteien haben zugesagt, im Falle eines Wahlsiegs wesentlich mehr Geld in den NHS zu pumpen. Der Ärzteverband Royal College of Physicans, der mehr als 35.000 Mediziner vertritt, bezeichnete die Versprechen aller Parteien als unglaubwürdig. Es fehle zum Beispiel an ausgebildetem Personal.

Der NHS wird hauptsächlich aus Steuergeldern finanziert. Vor allem in den Wintermonaten, wenn etwa Erkrankungen wie Grippe hinzukommen, kommt der Gesundheitsdienst nicht mehr gegen den Ansturm von Patienten an. Termine bei Hausärzten sind nur schwer zu bekommen, es mangelt an Klinikbetten. Sogar die Polizei musste schon mit Fahrzeugen einspringen, um Patienten in Krankenhäuser zu bringen, weil nicht genug Rettungsfahrzeuge zur Verfügung standen.

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