Notruf aus der Offizin

Wenn du im Notdienst nur noch weinen willst...

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Berlin -

Hilferuf eines Apothekers. Er sitzt irgendwo im Süden Deutschlands und möchte unerkannt bleiben. Aber seine Erfahrungen im Notdienst decken sich mit denen, die viele seiner Kollegen machen. Ein Fazit: Der Irrsinn nimmt keine Ende – er nimmt eher noch zu.

Viele Menschen kommen in der Not in die Apotheke. Aber wohin wenden sich eigentlich Apotheker, wenn sie in Not sind? Es beginnt mit einer besorgten Mutter mit krankem Kleinkind. Dem aufmerksamen Pharmazeuten kommt das Rezept spanisch vor: Furorese spezial Dos: 1/2-1/2-0.

„Da liegt eine Unterdosierung vor“, erkennt der Apotheker und ruft die Ärztin an. Die bleibt bei ihrer Verordnung. „Man muss das Medikament bis zu fünf Mal täglich einnehmen“, sagt er, „die Ärztin hatte es nur drei Tage lang zweimal täglich verordnet.“ Er informiert die Patientin, mehr kann er nicht tun.

Der nächste Notfall: Ein kleiner Patient, drei Jahre alt, mit eitriger Bindehautentzündung. Die Mutter kommt gerade aus dem Krankenhaus, dort hat man ihr Kamillenspülungen empfohlen. „Die Kamille ist ein Korbblütler, das ist Gift für das Auge“, sagt er. „Die einzige Pflanze, die bei Augenproblemen hilft, ist der Augentrost.“ Seine Empfehlung: „Im Grunde reicht sauberes Wasser. Ein Tempo in warmes Wasser tauchen und das Auge vorsichtig reinigen.“ Auch hier kann er nur trösten, beruhigen und seine Erfahrung weitergeben. Ob die Mutter den Krankenhausärzten oder dem Apotheker Glauben schenkt, ist ihre Entscheidung.

Notfall Nummer 3 ist besonders dramatisch. „Ich bekam einen Anruf von einer Mutter, die völlig fertig war. Ihr zehn Monate altes Baby hatte 40 Grad Fieber, Übelkeit und Erbrechen. Im Krankenhaus hatte man sie wieder weggeschickt und ihr gesagt, es wäre eine Frechheit, wegen so einer Lappalie zu kommen. Sie sollte erst wiederkommen, wenn das Kind einen Fieberkrampf habe.“

Der Apotheker war entsetzt. „Das Kind hatte nur noch wässrigen Durchfall in der Windel. So ein Säugling kann austrocknen, das muss dringend unter ärztliche Aufsicht.“ Sein Rat an die Mutter, die völlig außer sich und den Tränen nahe war: „Rufen Sie den ärztlichen Bereitschaftsdienst an. Wenn der nicht hilft, rufen Sie mich gern noch einmal an.“ Zum Glück hörte er nichts mehr von ihr: „Ich hoffe, dass die Ärzte geholfen haben.“

Einzelfälle? Das glaubt der Apotheker nicht. „Die Notfälle, die bei uns landen, werden immer schlimmer.“ Krankenhäuser schicken, so seine Beobachtung, Patienten immer öfter wieder nach Hause. Dann ist die Apotheke vor Ort der letzte Rettungsanker. Hat seine Apotheke Notdienst, ruft er vorsorglich die Praxen der Kinderärzte in der Umgebung an, um herauszufinden, was aktuell verschrieben wurde. „Ich möchte sichergehen, dass ich alles Nötige vorrätig habe.“ Manchmal sind Notdienste einfach nur zum Weinen. Da hilft dann auch kein Augentrost.

Tröstlich ist das Lob der Ärzte für den Apotheker. „Als ich mit meinem Rundruf begann, waren viele überrascht. Sie finden die Idee gut. Und auch für die Patienten ist es super, denn sie müssen im Idealfall nur einmal in die Apotheke und das gewünschte Medikament ist da. Für mich ist das ein guter Beweis, dass Weißkittel gut zusammenarbeiten können.“

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