Dr. Theiss

Frauenversteher aus Homburg

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Berlin -

Fast wäre Professor Dr. Peter Theiss in Japan gelandet. Nach Pharmaziestudium und Promotion erhielt er in den 1970er Jahren einen Forschungsauftrag in Ostasien, folgte aber dem Ruf seines Vaters und übernahm die Markt-Apotheke in Homburg. Mit 34 Jahren gründete er sein eigenes Unternehmen und bewies Kritikern schnell, dass der „Tee-Theiss“ mit Naturheilmitteln den Nerv der Zeit traf. Mit dem feinen Gespür für das richtige Produkt zur richtigen Zeit legte seine Firma zuletzt mit dem Fokus auf Wimpern einen Senkrechtstart in Apotheken hin.

Dr. Theiss Naturwaren feiert in diesem Jahr 40. Bestehen. Der Firmenchef studierte in München Pharmazie. Im Anschluss wechselte er 1971 als Doktorand im Bereich Neuropharmakologie an das Max-Plack-Institut für Psychiatrie. 1976 übernahm er die Apotheke seines Vaters. Die Wahl für Homburg und gegen Japan hat er nie bereut: „Ich habe mich damals richtig entschieden“, sagt Theiss.

Der heute 73-Jährige machte sich gleich zu Beginn einen Namen mit seinen selbstentwickelten Hausspezialitäten. „Ich war sehr enthusiastisch für alles, was mit Heilkräutern und Natur zu tun hatte“, sagt Theiss. Im eigenen Labor entwickelte er Kräutertee-Mischungen, Schweden-Bitter und Ringelblumen-Salbe. Die Kreationen bewarb er mit Vorträgen in Kneipp- und Hausfrauenvereinen.

Die Motivation und sein Engagement zahlten sich schnell aus. „Die Frauen kamen zu mir in die Apotheke und wollten meinen Tee kaufen.“ Zwei Jahre nach der Übernahme der Apotheke gründete er 1978 sein eigenes Unternehmen. „Ich wurde damals von anderen Apotheker belächelt und der ‚Tee-Theiss‘ genannt.“ Doch die Skeptiker verstummten schnell, als sich der Erfolg einstellte. „Viele Firmen haben sich im Anschluss den grünen Anstrich gegeben“, so Theiss.

1984 kam Guiseppe Nardi in das Unternehmen. Der heutige Geschäftsführer begann in Homburg seine Lehre als Industriekaufmann. Schnell stellte sich heraus, dass der Saarländer mit italienischen Eltern und der Apotheker ein gutes Team waren. „Wir haben uns gut ergänzt und sind zusammengewachsen“, sagt Nardi. Nach seiner Ausbildung war Nardi zunächst im Exportgeschäft eingespannt. Nach dem Mauerfall etwa – Theiss hatte die Apotheke gerade verkauft – fuhren beide in die neuen Bundesländer, den Kofferraum gefüllt mit Produkten.

„Wir haben damals auf unsere Intuition gehört. Wir wollten in den neuen Markt und waren überzeugt, dass die Menschen auch hier Naturprodukte brauchen, die zuvor von staatlichen Stellen unterdrückt worden waren“, sagt Nardi, der heute für Export, Marketing und Vertrieb verantwortlich ist. In den neuen Bundesländern suchten die beiden vor allem Vertriebspartner. „Wir waren mit die Ersten und schneller als die Großen und konnten schnell Umsätze aufbauen.“ In Ostdeutschland waren es vor allem die Ringelblumensalbe und der Nachtkerzen Hautbalsam, die angeboten wurden. „Das waren unsere ersten Gehversuche im kosmetischen Markt“, sagt Nardi.

Später kam die Firma per Zufall an 2000 Liter hochwertiges Olivenöl. „Wir haben uns damals überlegt, wie wir einen echten Erfolg im Kosmetikbereich für Apotheken schaffen können“, sagt Theiss. Das Öl aus dem Mittelmeerraum wurde als Creme verarbeitet und Apotheken zunächst als Pröbchen geschickt. Die Verbraucherinnen fragten nach mehr. 2002 wurde die Kosmetikserie Medipharma eingeführt. Mit dem Namen und der grünen Verpackung sollte das neue Sortiment abgegrenzt werden. Die reichhaltige Creme sei bei der Kundschaft gut angekommen, von der Konkurrenz aber zunächst als „grünes Gift“ betitelt worden. „Das gute Image von Olivenöl war in Deutschland noch nicht angekommen“, sagt Nardi.

Die Intensivcreme ist noch immer das stärkste Produkt des Unternehmens. Mit der Marke wurden im vergangenen Jahr 36 Millionen Euro nach Apothekenverkaufspreisen (AVP) erwirtschaftet. Rückläufige Umsätze sollen etwa mit der im Frühjahr eingeführten Rosé-Linie abgefedert werden; zu einem weiteren Standbein hat sich seit Jahren die Hyaluron-Serie entwickelt, die inzwischen auf 11 Millionen Euro kommt. Das Unternehmen investiert stark in Endverbraucherwerbung insbesondere TV-Spots. „Wir setzen darauf, die Zielgruppen anzusprechen und in die Apotheke zu schicken“, sagt Nardi. Die Rosé-Linie wird etwa im Morgenmagazin der öffentlich-rechtlichen Sender vor dem Wetter beworben.

Auch beim Einstieg in den Markt der dekorativen Kosmetik spielte TV-Reklame eine entscheidende Rolle. Der Ende 2016 eingeführte Wimpern Booster kam im vergangenen Jahr auf beachtliche 12 Millionen Euro Umsatz, ein Plus von 60 Prozent. „Wir haben beobachtet, dass Wimpern ein Riesenmarkt sind“, sagt Theiss. Viele Produkte enthielten jedoch Prostaglandine. Die Gewebshormone führen zum Wimpernwachstum. Diese Nebenwirkung wurden bei der Behandlung von Patienten mit Grünem Star festgestellt.

„Wir wussten, dass die Idee einen Wimpern Booster in Apotheken zu bringen, ungewöhnlich ist“, so Theiss. Die Produkte werden eher bei Douglas oder über das Internet vertrieben. Der Booster enthält Hyaluronsäure sowie Provitamin B5 und soll auch ohne Prostaglandine wachstumsfördernd wirken. Das Produkt benötigt aber Beratung: „Wenn man den Booster nicht richtig benutzt, zeigt er keine Wirkung“, so Nardi. Die Kunden könnten aber zu Recht von Apothekern und PTA erwarten, dass sie dort richtig beraten würden. Daher setzt der Hersteller auf Schulungen und Seminare.

Theiss will hier weitere Produkte einführen: „Wir wollen die dekorative Kosmetik in breitem Ausmaß in die Apotheke bringen“, so der Firmengründer. Die Frauen in einem Alter zwischen 45 und 60 Jahren achteten heute viel stärker auf ihr Aussehen als früher. 2017 folgten drei verschiedene Mascara, die hauptsächlich auf Pflege ausgerichtet waren. Im Juli kommen zwei weitere Wimperntuschen dazu, die zusätzlich auf den Volumeneffekt abzielen. „Wir mussten die Kunden zunächst über den Pflegeaspekt an das neue Produkt aus der Apotheke heranführen, jetzt ist die Zeit reif für ‚mehr Drama‘“, sagt Nardi.

Allein mit den Mascara-Produkten erzielte Theiss im vergangenen Jahr 19 Millionen Euro Umsatz. Apotheken könnten sich mit dekorativer Kosmetik als Alternative zu Drogerien und Parfümerien positionieren, so Theiss. Mit dem neuen Konzept soll auch eine jüngere Zielgruppe angesprochen werden. Dekorative Kosmetik ist in Apotheken bisher nicht weit verbreitet. Nur große Apotheken bieten Make-up, Lippenstifte oder Puder von Vichy, La Roche-Posay oder Dr. Hauschka an.

Insgesamt erwirtschaftete Theiss hierzulande in Apotheken 2017 rund 126 Millionen Euro. Die in den vergangenen Jahren eingeführten Produkte sorgten für ein Plus von 21 Prozent – damit gehört Theiss zu den Spitzenreitern im Markt. Das Sortiment wurde in den vergangenen Jahren auch durch Zukäufe erweitert: 2000 kaufte Theiss Lacalut von Boehringer Ingelheim, fünf Jahre später folgte die Firma Allga Pharma mit der Marke Allgäuer Latschenkiefer. Während die Produktion nach Homburg verlegt wurde, werden die Rohstoffe noch immer im Allgäu angebaut.

2015 folgte Dolorgiet mit Sitz in St. Augustin bei Bonn. Die 1923 gegründete Firma, zu der auch der Reimporteur Milinda gehört, hatte als erster deutscher Betrieb eine topische Form von Ibuprofen entwickelt. Noch heute ist Dolorgiet ein wichtiger Lohnhersteller. Die hauseigene Dolgit-Creme wurde in die Dachmarke Proff eingegliedert. Auch der Exportbereich wurde in den vergangenen Jahren stark fokussiert. Das Unternehmen hat hierzulande seine Produktion und rund 500 Mitarbeiter. Weltweit gibt es 20 Tochterfirmen und rund 2000 Mitarbeiter, davon allein rund 700 im Außendienst. Die Produkte werden in mehr als 60 Länder vertrieben. Besonders stark ist Theiss in Osteuropa und Russland mit Lacalut und Arzneimitteln vertreten. Rund drei Viertel des Umsatzes von 270 Millionen Euro werden im Ausland erzielt.

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