Sparmaßnahmen

Nach Akteneinsicht: BPI schießt gegen Preismoratorium

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Berlin -

Zehn Jahre nach der Einführung fordert die Pharmaindustrie das Ende des Preisstopps: „Das Preismoratorium hat keine Grundlage und muss daher schleunigst beendet werden“, fordert der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI). Bereits zum wiederholten Mal hatte der Verband nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) die für die Verlängerung maßgeblichen Arbeitsdokumente im Bundesgesundheitsministerium (BMG) gesichtet: „Es bestätigt sich: Die in Krisenzeiten eingeführte Maßnahme ist angesichts der komfortablen Situation der GKV mit ihren Milliardenüberschüssen nicht zu rechtfertigen“, sagt Hauptgeschäftsführer Dr. Kai Joachimsen.

Der Preisstopp und die zeitweilig erhöhten Zwangsrabatte waren während der Finanzkrise 2009 wegen der drohenden Verschlechterung der Gesamtwirtschaftslage eingeführt worden. Diese trat laut BPI aber nie ein, trotzdem seien die Maßnahmen schon mehrmals ohne Not verlängert worden, zuletzt bis zum Jahr 2022. „Die Begründung des BMG, dass bei einer Aufhebung des Preismoratoriums mehr Ausgaben und damit höhere Zusatzbeiträge zu erwarten wären, ist ein Zirkelschluss“, so Joachimsen. „Das hat nichts mehr mit dem ursprünglichen Grund zu tun, die GKV in Krisenzeiten zu stützen. Der Preisstopp ist nach neun Jahren zum Gewohnheitsrecht mutiert und es wird damit eine große finanzielle Belastung für die Unternehmen institutionalisiert. Dagegen wehren wir uns.“

Die Pharmaindustrie in Deutschland bestehe zu über 90 Prozent aus standortgebundenen, mittelständischen Unternehmen, die ihre Umsätze primär in Deutschland erzielten und erheblich von den Zwangsmaßnahmen betroffen seien. Ausnahmen gebe es so gut wie nie: „Wenn man weiß, dass für einen Antrag auf Befreiung vom Moratorium der Bankrott des Gesamtunternehmens bevorstehen muss, ist es zynisch zu betonen, dass es kaum Anträge gibt“, sagt Joachimsen. „Bevor ein Unternehmen in die Insolvenz geht, stellt es unrentable Produkte eben ein. Das passiert zunehmend, auch bei wichtigen Therapieoptionen. Die Therapievielfalt für Patienten schwindet. Das ist untragbar,“ so der BPI-Hauptgeschäftsführer.

Infectopharm hatte gegen die Verlängerung des Preismoratoriums Verfassungsklage eingereicht. Der Mittelständler berief sich dabei auf die vom Grundgesetz geschützte unternehmerische Freiheit. Inhaber Philipp Zöller und Geschäftsführer Dr. Markus Rudolph begründeten diesen Schritt im Dezember 2017: „Das Preismoratorium stranguliert grundlegende, in Artikel 12 des Grundgesetzes verankerte unternehmerische Freiheiten. Wir wehren uns dagegen, dass eine mittelständische Firma wie Infectopharm seit Jahren pauschal daran gehindert wird, für sinnvolle galenische Weiterentwicklungen seiner patentfreien Wirkstoffe adäquate Preise verlangen zu können.“

Nach Auffassung von Rechtsanwalt Dr. Christian Stallberg von der betreuenden Kanzlei Novacos Rechtsanwälte übersieht der Gesetzgeber bei seinem Ziel, die Krankenkassen vor höheren Ausgaben zu bewahren und die Arzneimittelpreise zu regulieren, dass dies gesetzestechnisch ebenso wirksam und auf mildere Weise durch Einführung einer Erstattungsobergrenze erreicht werden könnte. Bei einem derartigen Erstattungshöchstbetrag würden die Krankenkassen gleichermaßen nur die Kosten in Höhe des „eingefrorenen“ Preisniveaus tragen.

Jedoch könnten dann die Unternehmen für ihre weiter verbesserten Arzneimittel Aufzahlungen von Patienten als potentiellen Nachfragern vereinnahmen – analog zum vergleichbaren Instrument der Festbeträge. Die derzeitige Gesetzesmechanik führe demgegenüber dazu, dass den Herstellern pauschal diese Möglichkeit genommen werde. Dies treffe gerade mittelständische Unternehmen wie Infectopharm schwer, die Arzneimittel mit generisch verfügbaren Wirkstoffen vertrieben. Viele Präparate von Infectopharm wiesen speziell verbesserte galenische Formulierungen für Kinder auf. Insbesondere für diese Arzneimittel sieht sich der Hersteller durch das Preismoratorium in der wirtschaftlichen Freiheit eingeschränkt.

Das Preismoratorium binde die Preise für Arzneimittel in verbesserten Darreichungsformen an die der „Altpräparate“ mit gleichem Wirkstoff im eigenen Portfolio. Dies führe dazu, dass wünschenswerte galenische Weiterentwicklungen zum Nutzen der Patienten nicht realisiert werden könnten. Das Preismoratorium schießt aus Sicht von Infectopharm daher weit über sein Ziel hinaus, Preissteigerungen von Arzneimitteln mit Patentschutz im Bestandsmarkt einzufrieren. Im Rahmen der eingereichten Verfassungsbeschwerde werde unter anderem erstmals zu klären sein, ob der Gesetzgeber die geschützte Berufsausübungsfreiheit verletzt, wenn er durch Preismoratorium pharmazeutischen Unternehmen pauschal und gegenüber allen Patienten als potentiellen Nachfragern die Preisfestsetzungsfreiheit entzieht. Das Verfahren läuft noch.

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