Kommentar

Spahns Tanz auf dem Vulkan

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Berlin -

Jongliert nicht zu viele Bälle gleichzeitig in der Luft! Diesen Tipp gab Jens Spahn als gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion der ABDA vor einigen Jahren, als es um deren Honorarforderungen ging. Gemessen daran muss der heutige Bundesgesundheitsminister ein zirkusreifer Meisterjongleur auf dem Hochseil sein. Von Valsartan bis Grippeimpfstoff: Spahn ist auf so vielen politischen Baustellen zugange, dass er darauf achten muss, nicht krachend abzustürzen, kommentieren Lothar Klein und Nadine Tröbitscher.

Wer allzu geldgierig daherkommt, dem vertraut man sein Erspartes nicht an. Im übertragenen Sinne trifft diese Lebensweisheit auch Spahns ungezügelten und offen zur Schau gestellten Ehrgeiz aufs höchste CDU-Parteiamt zu. Seit der 38-jährige seine Kandidatur angemeldet hat, hat er seine politische Schlagzahl nochmals erhöht. Das Thema Pflege ist gesetzgeberisch abgehakt, das Beitragsentlastungsgesetz ebenso. Damit liegt Spahn im Plan. Den Ärzten verordnet der umtriebige Bundesgesundheitsminister mehr Sprechstunden für GKV-Patienten. Der Protest der Medizinmänner hält ihn nicht ab.

Mit der AMG-Novelle stellt Spahn so eben mal die eingefahrenen Wege der Zytostatikaversorgung zur Disposition, regelt den sensiblen Bereich der Orphan Drugs neu, während nebenan im BMG die Manager der Arzneimittelhersteller ahnungslos im Pharmadialog mit seinem beamteten Staatssekretär vorlieb nehmen müssen. Spahn prescht vor, an politischen Kleiderordnungen hat er sich noch nie gestört. Das kann man gut, dass kann man modern finden – aber auch nicht. Wem der Ehrgeiz aus allen Poren dampft, der schürt auch Misstrauen gegen sich selbst.

Mit seiner Kandidatur für den CDU-Vorsitz hat sich Spahn zum Modell seines eigenen Politikstils ausgerufen: Kontrovers, aber sachlich diskutieren, Lösung liefern und rasch umsetzen. Problem erkannt, Problem gebannt, so will Spahn die mit dem trägen Berliner Politikbetrieb unzufriedenen Wähler zurückgewinnen. Jeden Tag mindestens eine Spahn-Schlagzeile soll seinen Rückstand im Kandidatenrennen verkürzen. Und wenn ihm die Gesundheitspolitik als Spielwiese nicht ausreicht, muss eben das Migrationsthema zur Profilierung herhalten.

Als politischer „Hans Dampf in allen Gassen“ wird Spahn voraussichtlich nicht den CDU-Parteivorsitz erobern. In der Gesundheitspolitik bleiben ihm aber genügend Aufgaben, seinen Tatendrang auszuleben: Auf Valsartan und Lunapharm hat er bereits mit ersten Maßnahmen reagiert, genauso wie auf den Zyto-Skandal von Bottrop. Wer Kanzler werden will, muss Arzneimittelskandale eben souverän aus dem Weg räumen, bevor sie ihm politisch gefährlich werden. Da kommt ein „Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung“ in der Vita gerade recht.

So erklärt es sich wohl auch, dass er bei Grippeimpfstoffen ohne Zaudern einen Versorgungsmangel verkündet. Jedes Jahr kommt der Engpass so plötzlich wie Weihnachten und bremst die Versorgung. Spahns Karriere ausbremsen soll er nicht. Dass im 21. Jahrhundert ein deutscher Gesundheitsminister den Notstand erklären muss, damit Menschen an ihren Grippeimpfstoff kommen, ist freilich ein Armutszeugnis. Hektisches Umverteilen löst das Problem noch nicht. Mal sehen, ob Spahn eine Idee hat, damit das Problem in der kommenden Saison nicht erneut auftaucht. Vielleicht muss er ja seine eigenen Sparziele opfern und Geld in die Hand nehmen, um eine Reserve anzulegen. Wer den Patienten dienen will, muss den Markt bändigen, das mussten andere Gesundheitsminister vor ihm auch schon erkennen.

Gefährlich für Spahns Ambitionen ist nach wie vor auch das Thema Valsartan. Monate nach der ersten Rückrufwelle ist der Skandal noch immer nicht überstanden. Patienten, die auf ein vermeintlich sicheres Präparat umgestellt wurden und nun doch mit einem erhöhten Krebsrisiko konfrontiert sind, werden nach den Verantwortlichen fragen. Und das politische Risiko trägt immer zuerst der Minister – auch wenn das Amt für ihn nur als Durchgangsposten geplant ist.

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