Rx-Versandverbot

„Das Spahn-Ministerium ist nackt“

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Berlin -

Fällt das Rx-Versandverbot aus? Die Bundesregierung ist sich laut einer aktuellen parlamentarischen Anfrage noch nicht einig, ob und wie sie das im Koalitionsvertrag festgehaltene Vorhaben umsetzen will. Das „grenzt an Wahlbetrug“, erregt sich die grüne Gesundheitspolitikerin Kordula Schulz-Asche.

Der neue Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat in den letzten Wochen mit einigen kontroversen Meinungen von sich reden gemacht, vom Rx-Versandverbot war bisher noch nichts zu hören. In seiner Regierungserklärung: Kein Wort dazu.Selbst auf Nachfrage schweigt er sich dazu aus. „Der Meinungsbildungsprozess über die Umsetzung der Koalitionsvereinbarung ist zu diesem Punkt noch nicht abgeschlossen“, räumt das Bundesgesundheitsministerium (BMG) in der Antwort auf eine Anfrage der grünen Bundestagsfraktion ein.

Schulz-Asche hatte der Regierung in der Anfrage auf den Zahn gefühlt, mit welchen Argumenten sie das geplante Verbot rechtfertigt. Ihr Argument: Stellt sich heraus, dass es verfassungs- oder europarechtswidrig ist, müsste der deutsche Fiskus dafür zahlen. Denn dann könnte der Staat für die Umsatzausfälle der Versandapotheken haftbar gemacht werden. Bereits vor einem Jahr hatte das Finanzministerium unter Wolfgang Schäuble auf dieses „beträchtliche fiskalische Risiko“ hingewiesen. Die Bundesregierung verfüge deshalb selbst „über aktuelle Erkenntnisse, die die Verhältnismäßigkeit eines Verbots […] in Zweifel ziehen“, halten ihr die Grünen vor.

Auf die Frage, wie viele Apotheken in Deutschland vom Rx-Versandverbot betroffen wären, antwortete das BMG mit Zahlen der ABDA und des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI). Demnach haben von den rund 19.700 Apotheken in Deutschland aktuell 3620 eine Versandhandelserlaubnis, nur gut ein Drittel davon sind jedoch im DIMDI-Register gelistet. „Ernstzunehmenden Versandhandel“ betreiben laut dem Bundesverband Deutscher Versandapotheken (BVDVA) nur etwa 150 Apotheken. Der Anteil des Versands am Gesamtumsatz mit Rx-Arzneimitteln liege bei 1 bis 2 Prozent. Ausländische Versandapotheken wiederum setzen im Jahr ein Abrechnungsvolumen von etwa 400 Millionen Euro um. Viel mehr Antworten erhielten die Grünen nicht.

Auf die Fragen beispielsweise, wie hoch die finanziellen Risiken für den Bundeshaushalt wären, welche staatliche Ebene die finanzielle Last einer möglichen Staatshaftung tragen würde und mit welchen Maßnahmen die Bundesregierung diese Staatshaftung vermeiden würde, erklärt das Ministerium ausweichend: „Die von der Bundesregierung beschlossenen Gesetzentwürfe stehen aus ihrer Sicht im Einklang mit dem Recht der Europäischen Union und nationalem Verfassungsrecht“.

Genauso wenig lässt sich das BMG auf Fragen dazu ein, ob der Versandhandel oder Rx-Boni die flächendeckende Versorgung gefährden und ob deutsche Apotheken durch den Rx-Versand aus dem EU-Ausland bedroht oder gefährdet werden. Immerhin bejaht die Bundesregierung, dass sie im vergangenen Jahr beim Entwurf für ein Rx-Versandverbot auch mildere Alternativen dazu geprüft hat. Die Frage, welche das waren und warum sie verworfen wurden, übergeht das BMG geflissentlich. Inwiefern ein Rx-Versandverbot die Apotheke vor Ort stärken könnte? Auch dazu kommt nur der Verweis auf die Vorbemerkung, dass der Meinungsbildungsprozess über die Umsetzung noch nicht abgeschlossen sei.

Während Spahn aus den eigenen Reihen Druck gemacht wird, das Verbot durchzusetzen, ist die Anfrage für die Opposition ein gefundenes Fressen. „Das Vorgehen des unionsgeführten Gesundheitsministeriums grenzt an Wahlbetrug“, kommentiert Schulz-Asche. Über das ganze Jahr habe die Union den Apothekern „den Mund wässrig gemacht“ und nun stelle sich heraus: „Das Spahn-Ministerium ist nackt.“ Es könne „nicht mal ansatzweise“ eine für einen Gesetzentwurf erforderliche Begründung für das Versandverbot vorlegen. Die Formulierung mit dem Meinungsbildungsprozess sei nichts als eine Ausrede, da es in Wahrheit „schlicht keine guten Gründe“ für das Rx-Versandverbot gebe, so Schulz-Asche. Die Politiker hatte bereits Spahns Vorgänger Hermann Gröhe unterstellt, falsches Spiel mit den Apothekern zu treiben.

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