Arzneimittelschmuggel

Lunapharm: Spahn gerät unter Druck

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Berlin -

Valsartan und Lunapharm: Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat gleich zwei Arzneimittelskandale, mit denen er umgehen muss. Der Berliner FDP-Fraktionsvorsitzende Sebastian Czaja fordert ihn auf, die mutmaßlich gestohlenen Krebsmedikamente zur Chefsache zu machen. Erstmals gibt es Zahlen zu betroffenen Patienten: Wie aus Angaben der Gesundheitsverwaltung hervorgeht, haben in Berlin mindestens 220 Patienten gestohlene Zytostatika des brandenburgischen Arzneimittelimporteurs erhalten.

Über drei Berliner Apotheken sollen gestohlene Zytostatika an 14 Arztpraxen in der Hauptstadt sowie vier Praxen und eine Rehaklinik in Brandenburg geliefert worden sein, berichtet der Tagesspiegel. Insgesamt seien die vermutlich in Griechenland und Italien gestohlenen Präparate in elf Bundesländer geliefert worden, wie schon zuvor bekannt war. Das gesamte Ausmaß ist nach wie vor unklar, ebenso wie die Frage, ob und falls ja, wie viele Zubereitungen durch unsachgemäße Lagerung an Wirkung verloren haben.

„Mehr als 220 Menschen in Berlin und Brandenburg wurden mit den wirkungslosen Krebsmedikamenten behandelt – die Dunkelziffer könnte noch weitaus höher liegen“, so Czaja. „Obwohl das gesamte Bundesgebiet betroffen sein könnte, hört man von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn bisher überhaupt nichts. Herr Spahn muss jetzt einen Runden Tisch mit allen Gesundheitsminister der Länder einberufen und die Sorgen der betroffenen Patienten ausräumen. Die Aufklärung dieses Pharmaskandals muss von oberster Stelle geleitet werden – alles andere ist unterlassene Hilfeleistung. Im Lunapharm-Skandal darf nur eine Maxime gelten: absolute Transparenz und Aufklärung.“

Bereits am Dienstag war eine Antwort der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit auf eine Anfrage von Czaja eingegangen. Czaja wollte vom Senat wissen, welche Kenntnisse der Senat über die Lieferungen in Berlin hat und welche Maßnahmen er ergreife. In der Antwort an das Abgeordnetenhaus war noch die Rede von einer Apotheke im Bezirk Marzahn-Hellersdorf sowie einer im Bezirk Mitte sowie 174 betroffenen Patienten.

Bei den abgegebenen Medikamenten habe es 98 Dosen Herceptin, 59 Dosen Mabthera, 48 Dosen Velcade sowie 100 Dosen Xgeva gehandelt. Das Land Berlin habe durch die beiden Apotheken die behandelten Ärzte über die betroffenen Patienten informieren lassen. Es liege nun im Ermessen der behandelnden Ärzte, „entsprechende Gespräche sowohl mit den betroffenen Patientinnen und Patienten, aber auch mit denen, die nicht betroffen sind und durch diese Information eine große Entlastung erfahren können, zu führen“, so die Antwort.

Als Konsequenz aus dem Skandal führe das Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) bereits entsprechende Qualitätskontrollen durch. Für weiterführende Konsequenzen sei es erforderlich, in einem ersten Schritt die Ereignisse und Verfahren in Brandenburg gemeinsam mit den anderen Bundesländern auf fachlicher Ebene auszuwerten. Der Senat gehe davon aus, dass das im Herbst geschehen wird.

Politisch könnten heute weitere Konsequenzen bekanntwerden: In Potsdam findet zur Stunde eine Sondersitzung des Gesundheitsausschuss des Brandenburger Landtags statt. Der Ausschuss will sich unter Teilnahme von Ministerpräsident Diemtar Woidke (SPD) über den aktuellen Stand der Untersuchungen informieren lassen. Unterdessen sind die beiden AfD-Abgeordneten Rainer van Raemdonck und Birgit Bessin mit ihrem Versuch gescheitert, noch vor der Sitzung des Ausschusses von der brandenburgischen Landesregierung eine sofortige Einsicht in sämtliche Akten zum Skandal zu erzwingen.

Eine unmittelbar vor einer Sondersitzung gewährte Akteneinsicht würde die Befugnisse des Ausschusses berühren, in öffentlicher Sitzung Auskunft von der Landesregierung zu verlangen, so das Landesverfassungsgericht. Dieser Prozess öffentlicher Auseinandersetzung im Parlament könne unterlaufen werden, wenn einzelnen Abgeordneten ein oder zwei Tage vor der Sitzung Zugang zu den Akten der Landesregierung gewährt würde.

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