Versorgungsmodelle

Kommune und Apothekerin ermöglichen MVZ

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Berlin -

Der zunehmende Hausärztemangel stellt für viele ländliche Regionen ein Problem dar. Immer wieder machen sich nicht nur Bürgermeister, sondern auch Apotheker auf die Suche nach Medizinern. Im Rhein-Lahn-Kreis hat sich die Kommune Katzenelnbogen zu einem bisher selten umgesetzten Modell durchgerungen. Die Gemeinde betreibt mittlerweile selbst ein MVZ. Die Apothekerin Rita Hübner investierte knapp eine halbe Million Euro in die Immobilie.

Zu der Verbandsgemeinde Katzenelnbogen, die sich über eine Fläche von rund 100 Quadratkilometer erstreckt, gehören insgesamt 21 Orte mit knapp 10.000 Einwohnern. Einige von ihnen zählen aber gerade einmal 200 Einwohner. Ländliches Gebiet par excellence, mit allen daraus erwachsenden Konsequenzen für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung.

Die Stadt verfügt über drei kassenärztliche Sitze, die bis vor einigen Jahren auch besetzt waren. In keinem anderen Ort der Verbandsgemeinde gab und gibt es einen Hausarzt. Doch als zwei der drei Mediziner aufhören wollten und keinen Nachfolger für ihre Praxen fanden, sah sich die Kommune mit einem Problem konfrontiert, das viele ländliche Gemeinden nur allzu gut kennen dürften: Wie sichert man die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung und – was nicht minder wichtig ist – wie erhält man die Attraktivität der Ortschaft?

„Zunächst hatte die Kommune gehofft, dass die Praxen der Ärzte von anderen Betreibern fortgeführt werden würden“, erinnert sich Matthias Meister, Geschäftsführer des MVZ Einrich. „Doch die Krankenhäuser der Umgebung blieben zurückhaltend.“ Also fassten sich die Lokalpolitiker ein Herz und gründeten ein Gesundheitszentrum, bei der die Kommune als Träger fungiert. Obwohl der Bundesgesetzgeber diese Möglichkeit schon vor einigen Jahren geschafft hat, gibt es nur wenige Beispiele von Arztpraxen in kommunaler Trägerschaft. Neben dem MVZ Einrich in Katzenelnbogen wird beispielsweise ein Ärztehaus in Büsum von der Gemeinde geführt.

Trotz gesetzlicher Grundlage sei die Gründung alles andere als einfach gewesen, berichtet Meister. Unter anderem ging es darum, ob Steuermittel eingesetzt werden dürfen, um die ärztliche Versorgung aufrecht zu erhalten. Problematisch war auch die Haftungsfrage. An wem bleiben offene Posten, etwa Regresse, hängen, wenn der Betrieb pleitegeht?

Unklar war zudem die Frage der Rechtsform. Da eine GmbH als MVZ-Träger nur beschränkt haften würde, hätte die Gemeinde ergänzend eine unbegrenzte, selbstschuldnerische Bürgschaft abgeben müssen. Das habe aber die Kommunalaufsicht nicht zugelassen, so Meister. Also entschied man sich für eine AöR. Die steht zwar auch in voller Haftung, war aber mit Zustimmung der Landesministerien möglich.

Doch die Errichtung eines MVZ sei nicht nur wegen der Sicherstellung der ärztlichen Versorgung wichtig gewesen, gibt Meister zu bedenken. Hätten die Praxen ersatzlos geschlossen, hätte das unmittelbare Folgen für andere Geschäfte, darunter einen Metzger, Physiotherapeuten, einen Sanitätsladen und eine Apotheke. „Denn oft verbinden die Menschen den Gang zum Arzt mit weiteren Erledigungen“, weiß er.

Das war offenbar auch der Apothekerin Rita Hübner bewusst. Sie betrieb – bis zur Übergabe an die Tochter vor zwei Jahren – die heutige Schloss-Apotheke und war auch die Besitzerin des Gebäudes, in dem sich nicht nur die Apotheke, sondern auch die örtliche Metzgerei befindet. Um den Fortbestand der Apotheke zu sichern, bot die Apothekerin der Gemeinde an, das Gebäude auszubauen und den Anforderungen eines Gesundheitszentrums anzupassen. Knapp eine halbe Million Euro soll Hübner in den Aus- und Umbau der Immobilie investiert haben. Unter anderem wurden zwei zusätzliche Geschosse errichtet. Im April 2016 öffnete das MVZ auf über 300 Quadratmetern auf drei Etagen. Mittlerweile sind dort 21 Personen beschäftigt: Ärzte, Helferinnen und Reinigungspersonal.

Vier Ärzte konnte die Kommune laut Meister für das MVZ gewinnen, drei davon arbeiten allerdings in Teilzeit. Sie behandeln bis zu 3500 Patienten pro Quartal. Doch finanziell schreibt das MVZ noch rote Zahlen, gibt Meister zu. Im ersten Jahr machte das MVZ 10.000 Euro Miese. Im zweiten Jahr lag der Verlust ebenfalls im fünfstelligen Bereich.

Zum einen würden die Gehälter der angestellten Mediziner deutlich über dem Lohn eines Facharztes im Krankenhaus liegen. Zum anderen konnte man die Expansionspläne nicht umsetzten, weil ein Arzt gekündigt hat und künftig lieber an der Ostsee praktizieren will. Doch es gibt auch wieder Hoffnung: Im Juli fängt eine neue Ärztin im MVZ Einrich an.

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