Meningokokken-Todesfall

Engpässe bei Prophylaxe-Antibiotikum

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Berlin -

Vor einer Woche ist im hessischen Lindenfels ein zweijähriges Mädchen an einer Meningokokken-Infektion gestorben. Nun wird das Vorgehen des zuständigen Gesundheitsamtes scharf kritisiert. Dieses hat zwar die Familie der Kinder, die gemeinsam mit dem verstorbenen Mädchen die Kindertagesstätte besucht haben, über den Todesfall informiert, überließ es aber offenbar den Ärzten und Apothekern, den Ansturm besorgter Eltern zu bewältigen. Um an das Antibiotikum Eremfat (Rifampicin, Riemser) heranzukommen, mussten sie teilweise nach Heppenheim und Frankfurt fahren.

Nachdem das Mädchen am Freitagabend verstorben ist, hat das Gesundheitsamt am Samstag die Eltern der Kinder aus der Tagesstätte dazu aufgefordert, mit ihren Kindern den ärztlichen Bereitschaftsdienst aufzusuchen und ihnen vorsorglich ein Antibiotikum gegen die Infektion verschreiben zu lassen. Doch in den Apotheken vor Ort war Eremfat nicht verfügbar.

Apotheker Dominik Müller traf die große Nachfrage nach dem selten verschriebenen Antibiotikum, das in erster Linie bei TBC, aber auch zur Meningokokken-Meningitis-Prophylaxe angewandt wird, gänzlich unvorbereitet. „Es gab am Freitagabend Gerüchte, dass es einen Verdachtsfall geben soll“, berichtet Müller, der die Burg-Apotheke in Lindenfels betreibt. „Offizielle Informationen hatten wir aber weder am Freitag noch am darauffolgenden Tag erhalten.“ Dann aber wollten am Samstagvormittag besorgte Eltern ihre Rezepte in seiner Apotheke einlösen. „Ich hatte nichts auf Lager“, so der Apotheker. „Auch mein Großhändler konnte auf Anfrage nichts liefern.“ Er habe alle Kollegen im Umkreis kontaktiert. Ergebnislos. Auch deren Verfügbarkeitsabfragen hätten ergeben, dass sich das Medikament nicht beschaffen lässt.

Nur bei einem Großhändler habe es einen Vorrat an sieben Flaschen gegeben. Diese waren jedoch schnell vergriffen. Denn die Nachfrage war viel größer. Nach Angaben von Gerhard Katzenmeier vom Deutschen Roten Kreuz Lindenfels haben über 100 Kinder das Medikament gebraucht. Viele Eltern sind daraufhin nach Heppenheim gefahren. Aber auch dort seien die Vorräte schnell zur Neige gegangen, so dass einige den Weg nach Frankfurt auf sich nehmen mussten.

Sowohl Katzenmaier und Müller als auch die Eltern kritisierten anschließend das Krisenmanagement des Gesundheitsamtes. „Wir wussten lange Zeit gar nichts“, so Müller. „Das Gesundheitsamt hat sich zumindest bei mir nicht gemeldet.“ Es sei höchst frustrierend, so der Apotheker, wenn man besorgte Eltern vor sich stehen habe und ihnen trotz aller Bemühungen nicht helfen könne. Auch Katzenmaier bestätigt, dass Informationen lange gefehlt haben: „Der Apotheker wurde in der Situation vollkommen allein gelassen und musste zusehen, wie er diese Krise bewältigt.“

Stark bemängelt wurde von allen Seiten deshalb, dass es in Hessen – anders als beispielsweise in Baden-Württemberg – keine Notfalldepots mit Medikamenten gibt. „Die Kosten für das besagte Antibiotikum halten sich in Grenzen“, sagte Müller. Seinen Angaben nach kostet das Arzneimittel im Einkauf rund zehn Euro. Auch nach Auffassung von Katzenmaier müssten Gesundheitsämter für solche Fälle gewisse Kontingente vorhalten. „Mit dem Zuzug von Flüchtlingen wächst auch die Wahrscheinlichkeit, dass Tuberkulose-Fälle vermehrt auftreten können“, so der DRK-Mann. Dafür sollten Gesundheitsämter Vorsorge treffen.

Die Kreisverwaltung reagierte auf die Vorwürfe in einer Stellungnahme. Darin zeichnet sie ein gänzlich anderes Bild als die Akteure vor Ort: Das zuständige Gesundheitsamt habe bereits unmittelbar nach Bekanntgabe des Verdachtsfalls – obwohl nicht für die Bereitstellung von Medikamenten zuständig – eine Apothekengruppe des Kreises organisatorisch eingebunden, „um effektiv alle über Apotheken bereitstellbaren und zur Chemoprophylaxe bei Kindern geeigneten Antibiotika aus der Region schnellstmöglich mobilisieren zu können“.

Das Gesundheitsamt habe die Eltern darauf hingewiesen, dass es sich um Antibiotika handele, die üblicherweise nicht in jeder Apotheke beziehungsweise nicht in großen Mengen vorrätig seien. Zudem seien sie darüber informiert, in welchen Apotheken dieses Antibiotikum erhältlich sei. In Einzelfallen sei es zu Wartezeiten in den Apotheken gekommen, so die Kreisverwaltung. Aktuell soll es keinen weiteren Verdachtsfall geben.

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