Pfusch-Prozess

Zwei Kulifarben: Sachverständige zweifelt an Gutachten

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Berlin -

Im Prozess um den mutmaßlichen Pfusch-Apotheker Peter S. ging es heute vor dem Landgericht Essen wieder einmal um die Analyse der sichergestellten Zytostatika. Die Sachverständige Dr. Martina Kinzig hat im Gutachten des Landeszentrums für Gesundheit (LZG) 30 Fehler gefunden. Correctiv berichtet aus dem Gerichtssaal.

Sie würde die „Ergebnisse in Zweifel ziehen“, sagte Kinzig. Unter anderem bemängelte die Laborleiterin des Instituts für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung (IBMP), dass Geräte zur Analyse verwendet wurden, obwohl eine Funktionsprüfung ausstand. Dr. Matthias Heuermann vom LZG erklärte, er habe seine Mitarbeiter mündlich angewiesen, das Gerät trotzdem zu benutzen. Kinzig reichte das nicht: „Was nicht dokumentiert ist, wurde nicht gemacht.“

Weiterer Kritikpunkt war ein Protokoll, das in unterschiedlichen Farben ausgefüllt war – Heuermann hatte hier offenbar mit zwei Kugelschreibern geschrieben. Auch dass das LZG die Kalibrierung seiner Pipetten nicht selbst überprüft habe, schlug negativ zu Buche. Es weise jedoch nichts darauf hin, dass die Unterlagen nach Anklageerhebung geändert wurden. Heuermann und sein Kollege Christoph Luchte räumten Fehler ein, Auswirkungen auf das Ergebnis der Untersuchung hätten diese aber nicht.

Die Analysen des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) hatte die Sachverständige ebenfalls unter die Lupe genommen. Sie habe kein Vertrauen in das durchgeführte System, sagte Kinzig über die Dokumentation des Institutes. Korrekturen seien nicht richtig dokumentiert worden. Eigentlich müssten Änderungen immer mit Initialen und Datum abgezeichnet werden. Bei einigen Korrekturen sei die ursprüngliche Information nicht mehr lesbar gewesen.

Für zwei Mitarbeiter seien Schulungsunterlagen und Qualifikationsnachweise erst nachträglich ausgestellt wurden. Weder PEI noch LZG hätten dokumentiert, wann welche Proben aus der Kühlung genommen wurden.

Das LZG hatte im November 2016 eine Razzia im Zytolabor der Alten Apotheke und eine Wirkstoffprüfung der beschlagnahmten Krebstherapien durchgeführt. Der stellvertretende Leiter Christoph Luchte sagte laut Correctiv, er sei unsicher gewesen, genügend Kapazitäten für den Fall zu haben. Darum habe er das PEI hinzugezogen. Das PEI untersuchte sowohl die 29 Zubereitungen mit monoklonalen Antikörpern, die am Tag der Razzia in der Alten Apotheke beschlagnahmt wurden, als auch den Infusionsbeutel, den PTA Marie Klein zur Polizei gebracht hatte.

Der Leiter des IBMP, Professor Dr. Fritz Sörgel, hatte ein Gutachten zur Nachweisbarkeit von Wirkstoffen in den beschlagnahmten Infusionsbeuteln erstellt, das sich die Verteidigung von S. zu eigen machte. Sie will erreichen, dass die Auswertungen des LZG und des PEI vor Gericht nicht anerkannt werden. Ohne nachgewiesene Unterdosierungen hätte die Anklage ein Problem.

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