Digitalisierung

Tu-Lam Pham: Apotheker müssen Gesundheitsgurus werden

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Berlin -

Dr. Google gecheckt, Arzneimittel herausgesucht und mit einem Klick... beim Online-Versender bestellt? Warum nicht in der Apotheke vor Ort? Wie können Apotheker Kunden und Patienten aus der digitalen Sphäre in ihre physischen Räumlichkeiten lotsen. Dr. Tu-Lam Pham, Experte für digitale Geschäftsmodelle, Online Marketing und Social Media, berät führende Konzerne zu deren Digitalstrategie. Sein Unternehmen Digital IQ ist spezialisiert auf die Weiterbildung von Fach- und Führungskräften rund um die Themen der Digitalisierung, sowie auf Beratungsprojekte in den Bereichen Online Marketing und E-Commerce. Bei der Digitalkonferenz VISION.A von APOTHEKE ADHOC erklärt er, wie Technologie und soziale Medien Gesundheit und Fitness auf der ganzen Welt verändern.

Das Internet hat dank der sozialen Medien bereits seine eigene Klasse kleiner Prominenter entwickelt: Da gibt es Fitness-Gurus, Ernährungsberater, Kosmetikkritiker. „Das komplette Weltbild junger Leute ist heute oft durch soziale Medien geprägt und Trends werden dort ganz stark durch einzelne Figuren geformt“, erklärt Pham. „Branding ist da sehr wichtig. Das kann nicht nur die Apotheke sein, sondern auch der Apotheker oder die Apothekerin selbst.“ Warum wird der lokale Apotheker also nicht zum Gesundheitsguru? Pham rät dazu, dass die Apotheken nicht trotz, sondern gerade wegen der wachsenden Rolle sozialer Medien ihren traditionellen „Markenkern“ betonen – aber auf eine Art und Weise, die der digitalen Zeit angemessen ist.

„Wenn ich als Apotheke eine bessere Produktabgabestelle bin, kann ich nur verlieren“, erklärt der Experte für digitale Geschäftsmodelle. „Denn wenn es nur um Preise und Verfügbarkeit geht, gewinnt das Internet immer.“ Stattdessen müsse der zukunftsfeste Apotheker wissen, wie er seine Zielgruppe erreicht. „Man muss da präsent sein, wo die Patienten sind, und aus der Masse hervorstechen.“ Doch wie kriegt die Präsenzapotheke den Patienten aus dem Internet zu sich vor Ort? „Das ist eine Frage des Algorithmus. Ich muss inhaltlichen Mehrwert schaffen – wenn ich dazu guten Content produziere, kann ich mich auch prominent platzieren.“ Die Akteure im Gesundheitswesen treffe eine Mitschuld, dass sich so viele Patienten an „Dr. Google“ wenden – würden sie besseren Content produzieren, würden die Verbraucher sich ihre Informationen dort holen.

Werden die Apotheken also gar nicht von der Digitalisierung bedroht? „Doch, selbstverständlich, das wird jeder Händler, der sich nicht verändert.“ Aber: „Die Kunden sind gar nicht so böse, wie viele denken“, meint Pham. „Die sagen nicht: ‚Mir ist komplett egal, ob die Apotheke hier vor Ort verblutet, ich bestelle sowieso nur bei DocMorris‘“. Die Apotheken müssten es nur verstehen, ihre Expertise und ihre konkreten Wettbewerbsvorteile auszuspielen. Das heißt jedoch nicht, dass er sich Illusionen macht. „Bei banalen Commodity-Produkten wie Aspirin sieht es für die Apotheken schlecht aus.“ Stattdessen lägen die Potentiale in der Spezialisierung, beispielsweise auf Kinder oder Senioren, spezielle Krankheitsgebiete oder Ernährungsberatung.

Und die technische Umsetzung? Da plädiert Pham für einen Blickwechsel – konkret: Er schaut nach Osten. Denn er reist nicht nur jährlich in den Silicon Valley, sondern vor allem nach China, um die Trends und Entwicklungen digitaler Geschäftsmodelle zu analysieren. „Früher war es so, dass man immer auf das Silicon Valley blickte. In den letzten drei, vier Jahren aber kommen die wichtigsten Innovationen aus China. Von den Top 20 Tech-Unternehmen kommen heute neun aus China.“ Vor allem im Bereich KI und Mobile ist das Reich der Mitte weltweit führend – die Station Desktop-Computer hat ein Großteil der Chinesen schlicht übersprungen. Nahezu überall im Land wird heute mit dem Handy bezahlt und selbst große Transaktionen wie der Autokauf werden vom Smartphone aus erledigt.

Hierzulande blickt man jedoch bis heute mit einer Mischung aus Geringschätzung und Skepsis nach China. „Deutschland ist da sehr widersprüchlich, das hat sehr viel damit zu tun, welche Unternehmen in welchem Land verwurzelt sind. Wir kritisieren das chinesische Verständnis von Datenschutz als gefährlich, halten aber als einziges Land daran fest, keine allgemeinen Tempolimits auf Autobahnen einzuführen. Was die Autoindustrie für Deutschland ist, ist die Künstliche Intelligenz für China.“ Unser Problem dabei: Während sich die Ära des Verbrennungsmotors dem Ende zuneigt, bricht die der Künstlichen Intelligenz gerade erst an. Die Entscheidungsträger in Deutschland täten gut daran, das zu realisieren. „Gerade mit Blick auf technologische Innovationen herrscht hierzulande eine gewisse Dekadenz“, kritisiert Pham. „Die Frage ist, wie lange wir unseren hohen Lebensstandard unter diesen Umständen noch halten können.“

So sei die Anwendung von Künstlicher Intelligenz vor allem in der Medizin sinnvoll. Die Analyse von Röntgenbildern oder das Tracking von Gesundheitsdaten könne Fachleuten automatisierbare Prozesse abnehmen und Kapazitäten freisetzen, die sie sinnvoll nutzen können, beispielsweise für eine bessere Beratung oder das Management von Neben- und Wechselwirkungen. Das Feld gehöre aber nicht allein den großen Konzernen, stellt Pham klar, sondern genauso den kleinen Unternehmen – sie müssen sich dazu nur durchringen. Pham ist sicher: „Google ist nicht der Hauptfeind. Aber wenn man sich nur auf staatliche Regulierung verlässt, verkümmert der Innovationsmuskel.“

Wie kann die Apotheke vor Ort einen inhaltlichen Mehrwert schaffen, mit der sie sich abhebt und für den Patienten vor Ort sichtbar wird? Und was muss sie dabei beachten? Worauf man als erfolgreicher Inhaber achten muss, um nicht im Datenmeer unterzugehen, erklärt Pham bei der Digitalkonferenz VISON.A von APOTHEKE ADHOC. Rund 30 hochkarätig Top-Speaker widmen sich am 20. und 21. März in Berlin dem wichtigsten Zukunftsthema der Branche. Neben Professor Dr. Jürgen Schmidhuber, einer der Väter der Künstlichen Intelligenz, dessen Algorithmen von Apple über Facebook bis Google Anwendung finden, spricht unter anderem Viktor Mayer-Schönberger, international renommierte Koryphäe auf dem Gebiet des datengetriebenen Kapitalismus. Dunja Hayali zeigt auf, wie man mit kontroversen Diskursen in sozialen Medien umgeht, während Biologe, Unternehmer und Fotograf Florian Kaps zeigt, wie man das Analoge ins digitale Zeitalter rettet. Mit den VISION.A Awards werden auch in diesem Jahr wieder die innovativsten Konzepte und Geschäftsideen ausgezeichnet. Sichern Sie Das ganze Line-Up, alle Informationen und Tickets gibt es hier.

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