Denkmalschutz

Ulm: Crowdfunding für Ex-Apotheke

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Berlin -

Muss eine Apotheke geschlossen werden, sieht es meist düster aus: Kommt keine neue Offizin hinein, wird das Inventar oft verkauft, ein anderes Geschäft füllt dann später die Räumlichkeiten. Anders sieht es bei der Apotheke am Zundeltor in Ulm aus: Sie steht unter Denkmalschutz. Eine neue Apotheke kommt jedoch nicht herein – stattdessen wollen Ende des Monats zwei junge Unternehmerinnen ein Café in ihr eröffnen. Dabei geht es jedoch nicht nur um Cappuccino und Bier, sondern auch um Zeitgeschichte.

„Die Apotheke am Zundeltor ist eines der letzten erhaltenen Kleinode aus den 50er-Jahren in unserer Region“, erklärt Cora Schönemann. Gemeinsam mit Peter Liptau steht sie hinter „The Gummibaum Project“, einem von der Stadt Ulm geförderten Kulturprojekt, das laut Selbstbeschreibung „topographische Orte gleich wie sozial-politische Räume der 1950er-Jahre wieder auf der Karte auftauchen“ lässt. Liptau bringt als studierter Architekturhistoriker die bauliche Fachkenntnis mit, Schönemann ist für die künstlerische Leitung verantwortlich.

„Tatsächlich war die Apotheke am Zundeltor so etwas wie die Initialzündung für unser Projekt“, erklärt Liptau. „Mein Steckenpferd ist die Architektur der Nachkriegszeit und die Urpsrungsidee war, an die Zundeltor-Apotheke heranzukommen, um eine Ausstellung darin zu machen.“ Anders als bei den meisten Orten ist für die Apotheke nämlich kaum Rekonstruktionsarbeit nötig. Denn die gesamte Inneneinrichtung der historischen Offizin ist originalgetreu erhalten.

Die Geschichte der Apotheke geht eigentlich zurück bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Bis zum Zweiten Weltkrieg residierte sie in einem repräsentativen Jugendstilbau, der jedoch die alliierten Bombenangriffe des Jahres 1944 nicht überstand. Nach dem Krieg wurde auf den Ruinen des Jugendstilbaus neu gebaut: Die damals moderne Architektur hielt Einzug ins Stadtbild. Das Gebäude galt „mit seinem modern überhängenden Dach und der revolutionären, halbrunden Architektur als eines der attraktivsten Gebäude Ulms“, wie die Schwäbische Zeitung schreibt.

1955 wurde die Apotheke am Zundeltor wiedereröffnet. Und mehr noch: Architekturhistoriker Liptau zufolge handelte es sich um eines der ersten Ärztehäuser Deutschlands, ohne das man das Konzept damals schon so genannt hätte. Über der Apotheke lagen mehrere Praxen, die bereits separat über Fahrstühle erreichbar waren – keineswegs selbstverständlich für die damalige Zeit.

Doch der Zahn der Zeit nagte auch an dem einst so modernen Gebäude. Mit der Apotheke ging es bergab. Bereits 2004 gab der damalige Inhaber Dr. Wolfgang Kiebling auf. Die finanziellen Aussichten seien deprimierend, sagte er damals der Schwäbischen Zeitung. Jemand anders übernahm, konnte die Apotheke aber ebensowenig halten. Der endgültige Schlussstrich folgte 2017 mit einem Rückkauf, auf den jedoch kein erneuter Betrieb folgte. Seitdem steht die Apotheke leer.

Doch das soll sich bald ändern, sehr bald sogar. Voraussichtlich am 31. August wollen die beiden Ulmer Jungunternehmerinnen Judith Garcia Beier und Melanie Henner die Apotheke am Zundeltor neu eröffnen und zwar nicht nur als Café, sondern auch als „Wohnzimmer, Bar, Meditationsort, Nähstube, Spielzimmer, Bücherschrank… schlichtweg DEIN zweites Zuhause! “, wie sie auf der Crowd-Funding-Plattform Startnext schreiben.

Dort haben sie ihr Projekt erfolgreich gepitcht, knapp 10.000 Euro haben sie mit ihrem Spendenaufruf eingenommen. Das Geld soll in den restlichen Innenausbau und das Mobiliar gehen, aber auch für die Bezahlung einer Gastronomiefachkraft ausgegeben werden, denn bei geplanten Öffnungszeiten von 10 Uhr morgens bis 2 Uhr nachts können die beiden jungen Mütter nicht alles allein stemmen.

Unterstützung bei Innenausbau erhalten die jungen Unternehmerinnen dabei von Schönemann und Liptau: „Wir begleiten die beiden durch ständige Besuche, tauschen uns da regelmäßig aus und geben Tipps“, sagt Liptau. Denn es stellen sich auch Fragen wie die der Weiterverwendung des Apothekeninventars. „Da gibt es zum Beispiel einen Hinterraum, so etwas wie ein Labor mit einem großen Linoleumtisch“, erklärt er. „Der sieht toll aus, aber den kriegt man natürlich als Küchenfläche niemals genehmigt.“

Der ehemalige Inhaber ist indes nicht involviert. Von den Plänen habe Kiebling kaum Kenntnis, wie er auf Nachfrage erklärt. Wenn alles gut geht, können Beier und Henne gleich mit großer Publicity starten. Denn am 9. September ist bundesweit Tag des offenen Denkmals und die Zundeltor-Apotheke ist einer von elf historischen Orten in Ulm, die daran beteiligt sind.

„Das Haus und die Apotheke haben viele wunderbare Details, die man hier vorstellen kann“, zeigt sich Schönemann angetan. Dabei kriegen das Gummibaum Project und die beiden Junggastronominnen authentische Unterstützung: Die Tochter des einstigen Apothekeninhabers Gerhard Krauß hat sich bereit erklärt, am Tagesprogramm teilzunehmen. Die Medizinerin, die heute in Heidelberg lebt, stellt nicht nur historische Aufnahmen zur Verfügung, sondern wird den interessierten Besuchern auch von Erinnerungen an ihre Kindheit in den Räumlichkeiten erzählen – alls alles nach Plan läuft, bereits im Ambiente des Cafés „Die Apotheke“.

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