EuGH-Urteil

Rx-Boni: Chance für Apotheker?

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Berlin -

Das EuGH-Urteil hat bei den Apothekern für Entsetzen gesorgt. Die ABDA trommelt für ein Rx-Versandverbot, um die Preisbindung über diesen Weg zu retten. Völlig falsch, findet der Bundesverband Managed Care (BMC): Die Entscheidung sei im Sinne der Patienten und biete auch „erhebliche Chancen für Apotheker, ihr Berufsbild weiterzuentwickeln und stärker in der Versorgungskette der Patienten mitzuwirken“.

Die Entscheidung des EuGH setzt laut BMC „neue Parameter für den Wettbewerb im Apothekenmarkt“: Sie öffne die Tür für den Arzneimittel-Versandhandel und eine flexiblere Preisgestaltung – und biete die Chance für mehr. „Neue Wettbewerbsparameter im Apothekenmarkt haben enormes Entwicklungspotenzial für das Berufsbild des Apothekers“, erklärt BMC-Vorstandsvize Ralf Sjuts.

Der niedergelassene Apotheker sollte sich laut Sjuts von einem Versandhändler über mehr abgrenzen als nur über die Preisgestaltung. „Hier ist vor allem die Politik gefordert, die Rahmenbedingungen für ein Tätigkeitsfeld zu schaffen, das sich von dem in den letzten Jahrzehnten verfestigtem Bild des Apothekers als schlichtem Arzneimittelverkäufer abhebt.“ Durch die Entscheidung des EuGH könnte dieser Prozess endlich Fahrt aufnehmen.

„Die Aufhebung des Mehrbesitzverbotes, Implementierung von Strukturen des Medikationsmanagements und Einbeziehung von Apotheken in die Integrierte Versorgung, das sind die Bereiche, die es anzupacken gilt“, bekräftigt auch Geschäftsführerin Dr. Susanne Ozegowski. „Dann ist der Weg frei für eine Einbeziehung des Apothekers in das Versorgungsmanagement, womit auch eine Aufwertung des Apothekerberufes insgesamt verbunden ist.“

Dies sei besonders sinnvoll im Bereich der Versorgung multimorbider Patienten und könnte sich etwa auf die Durchführung von Schnelltest und die Überprüfung von Adhärenz und Compliance beziehen. „Die Abkehr von der alleinigen Ausrichtung auf den Arzneimittelverkauf hin zur Übernahme einer aktiven Rolle als Bestandteil eines Versorgungsteams – das sollte das neue Apothekerbild sein“, so Sjuts. Zudem sollte die Rolle des Apothekers im modernen Medikationsmanagement gestärkt werden und die Bereiche der Begleitung, Beratung, Koordinierung und Betreuung bei der Arzneimitteltherapie umfassen.

„Durch das Urteil des EuGH gewinnt außerdem die Einbeziehung von Apotheken als Leistungserbringer in die Verträge der Besonderen Versorgung […] durch die Krankenkassen an Attraktivität“, ist sich Ozegowski sicher. Dies sei nicht nur für die Kassen, sondern auch für Apotheker erstrebenswert: „Selektivverträge stellen nur für denjenigen ein Problem dar, der nicht mitmacht. Für die Apotheker, die sich daran beteiligen, können solche Verträge auch finanziell interessant sein.“

Ein Preiswettbewerb sollte laut Ozegowski auch im Interesse der Krankenkassen liegen, die „grundsätzlich alles unternehmen sollten, um Versicherten einen kostengünstigen Zugang zu Medikamenten zu ermöglichen“. Die bestehenden Effizienzreserven sollten gehoben werden, statt sie zu Lasten der Versicherten fortzuschreiben, so die Geschäftsführerin.

Der BMC sieht daher auch keine Grundlage für die in der öffentlichen Diskussion geäußerten Ängste vor einer Gefährdung der Sicherstellung der Arzneimittelversorgung: „Die Argumentation, ein solcher Wettbewerb wirke sich negativ auf die Patientenversorgung aus, überzeugt nicht“, so Sjuts. In städtischen Räumen ist die Apothekendichte ohnehin sehr hoch. In Berlin etwa gebe es 860 Apotheken und damit eine Apotheke je 3500 Einwohner. Auch in NRW gebe es mit insgesamt 4400 Apotheken ein sehr hohes Apothekenversorgungsnetz.

Der Rückgang der Apothekendichte in ländlichen Regionen liegt laut BMC hingegen insbesondere in dem Mangel an Kandidatinnen für die Nachbesetzung von Apotheken begründet. „Diesem Nachwuchsmangel sollte mit attraktiveren Arbeitskonditionen in ländlichen Regionen für die junge PharmazeutInnen-Generation begegnet werden. Dazu gehören die Aufhebung des Mehrbesitzverbotes von Apotheken, erweiterte Möglichkeiten für eine Tätigkeit in einem Anstellungsverhältnis sowie – in Einzelfällen – die Gewährung von Sicherstellungszuschlägen.“

Die Einlassungen des BMC kommen nicht von ungefähr. Der Verein hat sich die „Weiterentwicklung des Gesundheitssystems im Sinne einer zukunftsfähigen, qualitätsgesicherten und patientenorientierten Versorgung“ auf die Fahne geschrieben und setzt sich ein für integrierte Versorgungskonzepte und Selektivverträge. Vorstandschef Professor Dr. Volker Amelung von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) sitzt im Verwaltungsrat von Zur Rose. Sjuts ist Geschäftsführerender Gesellschafter der MVZ-Kette Patiodoc.

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