Video-Arztbesuch

Zürich, können Sie meine rote Nase sehen?

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Berlin -

Krankschreibung ohne Arztbesuch, Diagnose ohne Parkplatzsuche? Die private Krankenversicherung (PKV) Ottonova will das möglich machen. Am 1. November startet das Angebot der Video-Konsultation. Der Ärger scheint programmiert – beim Münchener Start-up sieht man das gelassen. Rezepte ins Ausland umleiten will man nicht.

Roman Rittweger, Ottonova-Gründer und Arzt, sagt: „Wir sind die ersten, die das machen.“ Und beruhigt gleich die Ärzteschaft: „Wir wollen nicht den Hausarzt abschaffen.“ Aber ein bisschen provozieren und das Augenmerk auf Wege der Zukunft lenken: „Es gibt Fälle, in denen man nicht zum Arzt gehen kann.“ Für die ist die Video-Konsultation gedacht. Ein Beispiel: Ein Geschäftsreisender wird in London von einer Erkältung erwischt, bekommt Hautausschlag oder verstaucht sich beim Joggen den Fuß. Er ruft oder mailt seine Krankenversicherung an, die den Kontakt zum Schweizer Arzt herstellt. Via Smartphone begutachtet dieser den betroffenen Fuß oder lässt sich die Symptome der Erkältung oder des Ausschlages schildern. Er stellt eine Diagnose, schreibt im Bedarfsfall eine Krankmeldung und empfiehlt idealerweise ein rezeptfreies Medikament. Denn deutsche Apotheken dürfen keine Rezepte beliefern, die ohne persönlichen Erstkontakt ausgestellt wurden.

Problem stressfrei gelöst, sowohl für den Ottonova-Patienten als auch für die Versicherung, die sich über eine Kostenersparnis von bis zu 50 Prozent freut. In Ländern wie den USA, Schweden oder Großbritannien funktioniert die Idee schon seit Jahren. In Deutschland gibt es noch Hürden. Die größte ist der Umstand, dass ein Rezept ein Dokument ist, das nicht einfach per Mail übermittelt und ausgedruckt werden darf. Die Hürden gedenkt das Start-up, das 2015 gegründet wurde und seit Mitte Juni in Deutschland als Direktversicherer aktiv ist, zu überwinden. „Wir sind ein typisches Start-up“, sagt Rittweger, „es ist nicht alles in Stein gemeißelt, wir präsentieren Ideen und schauen, was passiert. Ich bin ewiger Optimist und ein großer Fan des Wettbewerbs. Langfristig werden sich die besten Ideen durchsetzen.“

Dass Online-Rezepte in Deutschland ein heikles Thema sind, weiß der Mediziner. Und legt den Finger in die Wunde: „Ein möglicher Schritt ist es, die Verantwortlichen darauf aufmerksam zu machen, dass man sie in anderen Ländern einlösen kann.“ Er versichert aber auch: „Unser Wunsch ist es, dass es in Deutschland funktioniert.“

Die rechtliche Seite wird auf der Website von Ottonova so beschrieben: „Ärzten in Deutschland ist es nicht erlaubt, Patienten ausschließlich über Video zu behandeln. Darum haben wir uns für diesen Service einen Partner aus der Schweiz gesucht, der mit in der Schweiz ansässigen Ärzten zusammenarbeitet: Eedoctors. Der Behandlungsvertrag kommt dabei zwischen dir und eedoctors zustande. Ottonova ist nicht der Anbieter, sondern nur der Vermittler dieser medizinischen Dienstleistung. Somit ist der Digitale Arztbesuch für dich als Patienten rechtlich zulässig.“

Ein Vorteil der Video-Konsultationen ist die Krankschreibung, die auch ein Arzt in der Schweiz seinen deutschen Patienten ausstellen kann. Zahlen bezüglich der Versicherten bei Ottonova möchte Rittweger nicht nennen. Laut Businessplan sind im laufenden Jahr dreistellige Patientenzahlen geplant, 2018 soll die Zahl der Versicherten vierstellig werden. „Erste Daten zu den Video-Konsultationen wird es erst im kommenden Jahr geben.“ Das Ganze sei ein Versuch: „Wir wollen wissen, wie es angenommen wird.“ 90 Prozent der Ottonova-Versicherten sind Männer: „Die meisten sind jung und gesund.“ Und online-affin, denn mal eben via Smartphone einen unbekannten Arzt in Graubünden oder Genf zu konsultieren, ist vermutlich nicht jedermanns Sache.

Eedoctors ist ebenfalls ein Start-up, hat sich auf den Bereich der Telemedizin spezialisiert und verspricht auf seiner Website: „Wir bieten das erste virtuelle Sprechzimmer der Schweiz. Die Verbindung zwischen Arzt und Patient wird mittels einer App per Video-Verbindung hergestellt. Wir verschaffen auf diese Weise kranken Menschen weltweiten Zugang zu ärztlicher Versorgung.“ Langfristig wird sich die Skepsis gegenüber dieser Variante des Arztbesuches, davon ist Rittweger überzeugt, legen. „„Es eignet sich natürlich nicht für alle Erkrankungen. Wir gehen als junges, innovatives Unternehmen neue Wege um zusätzliche Angebote für unsere Kunden zu schaffen.“

Rund zehn Jahre, so schätzt er, wird es dauern, bis sich diese Form des Arztbesuches in Deutschland etabliert haben wird. Und um als Enfant terrible noch einen draufzulegen, sagt er: „Wir überlegen, ob wir mit einer Versandapotheke kooperieren sollen.“ Aber am liebsten wäre es ihm, wenn eines Tages auch per Video-Konsultation entstandene Rezepte in der Apotheke vor Ort eingelöst würden.

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