Kräuterlikör

Apothekenschnaps für Nachtclubs

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Berlin -

Über der Eingangstür steht in goldenen Lettern „Hof-Apotheke“, auch das herzogliche Wappen ist zu finden. Seit dem 17. Jahrhundert werden in dem historischen Gebäude in der Braunschweiger Innenstadt Arzneimittel verkauft. Vor hundert Jahren begann der damalige Inhaber, Adolf Geffert, mit der Herstellung von Kräuterschnaps. Beide Traditionen führen heute seine Urgroßenkel fort. Der eine leitet die Apotheke, der andere vermarktet den Kräuterschnaps „Borgmann1772“ bis nach Südkorea.

Ab 1670 betrieb Apotheker Julius Mumme in dem angeblich 600 Jahre alten Haus in der heutigen Schuhstraße eine sogenannte wilde Apotheke. Weil es damals eine Vielzahl von solchen „Kräuterbuden“ und „Winkelapotheken“ gab, bat er den Herzog August Wilhelm von Braunschweig-Wolfenbüttel, seine Apotheke zu privilegieren. Seit 1720 durfte die neue privilegierte Hofapotheke den Hof beliefern und erhielt Steuervergünstigungen, freie Zölle und Gebietsschutz. Nur drei solcher privilegierten Apotheken gab es damals in Braunschweig-Wolfenbüttel.

Nach kurzzeitigem Erlöschen dieses Sonderstatus' erhielt der neue Besitzer Arend Jacob Wabst 1772 erneut das herzögliche Privileg – diesmal dauerhaft. Noch heute wacht das Wappen über der Eingangstür. Bis 1912 ging die Apotheke durch mehrere Hände.

Dann kaufte der Apotheker Geffert das Geschäft und stellte den ersten „Kräuterschnaps für den Magen“ der Familie im Apothekenlabor her. Viele Apotheker produzierten damals eigene Liköre, eine Tradition, die fast ausgestorben ist. Nicht so in der Hof-Apotheke: In vierter Generation wird der Likör noch heute produziert.

Früher seien rund 200 Flaschen in der Apotheke hergestellt worden – primär als Geschenk für Geschäftsfreunde und Kunden der Apotheke. Im Sommer 2005 entschieden sich Jan und Hendrik Geffert, den mittlerweile hundertjährigen Familienschatz weiter zu tragen. Sie merkten, dass das „urgroßväterliche Kräuterelixier auf privaten Parties wegging wie knusprig duftende Croissants am jungfräulichen Morgen“.

Die beiden Urgroßenkel entschlossen sich, gemeinsam mit ihrem langjährigen Freund Jörn Clausen, den Kräuterlikör gewerblich anzubieten. Apotheker Jan stand tagsüber in der Apotheke, setzte oft bis spät in der Nacht den Kräuterschnaps an und füllte diesen per Hand in Flaschen ab. Im Frühjahr 2006 entstand die erste Edition Borgmann1772 Kräuterlikör auf dem Tisch – in trendiger Aluflasche.

Die Rezeptur und das Herstellungsverfahren entspringe dem Wissen der Apothekerfamilie, heißt es auf der Homepage. Das Geheimnis und entscheidend für den ausgewogenen Geschmack des Likörs mit 39 Prozent Alkohol sei die Konzentration und die Menge der Kräuter. Von industriell gefertigten Likören unterscheide sich das Aroma der Kräuteressenzen deutlich.

Ganze zehn Tage dauere der Produktionsprozess: Alkohol, Wasser, Zucker und Kräuter wie Chinarinde, Galant, Enzian und Nelke, Ceylonzimt und Bitterorangen werden vermischt, dann muss die Masse ruhen. Immer wieder wird sie angewärmt, damit sich die feinen Kräuteressenzen entfalten. Nach der sogenannten Reife wird die Spirituose gefiltert, in Kleinstchargen abgefüllt und geprüft, anschließend versiegelt und verpackt.

Erst vor rund drei Jahren wurde die Produktion ausgelagert – in ein Labor in Halle an der Saale. Jan Borgmann führt weiterhin die Hof-Apotheke und steht für die Produktion und Entwicklung mit Rat und Tat zur Seite, macht etwa auch Chargenkontrollen. Den Kräuterschnaps verkauft er weiterhin in der Apotheke, im vergangenen Jahr hat er diese von seiner Mutter übernommen.

Den Vertrieb des Likörs übernimmt sein Bruder Hendrik, der eigentlich Schauspieler und damit der einzige in der Familie ist, der keinen pharmazeutischen oder medizinischen Hintergrund hat – auch die Schwester ist Apothekerin, sein zweiter Bruder ist Arzt. Hendrik Borgmann war viel im Berliner Nachtleben unterwegs und bot den Kräuterschnaps in seinen bevorzugen Läden an, „und nun rennt der kleine Bittere auch dort“, sagt er.

Berlin sei der Schwerpunkt, vor allem in den Spitzenrestaurants und Szeneläden komme der Schnaps gut an. In rund 160 Lokalitäten der Stadt wird der Schnaps derzeit verkauft. Von Berlin aus habe sich innerhalb kürzester Zeit ein Kreis von Clubbesitzern, Barkeepern, Restaurantbesitzern sowie Hotelmanagern gebildet, der den Likör über Mundpropaganda deutschlandweit bekannt gemacht habe. Auch in Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Österreich, Spanien und Schweiz haben die Brüder Abnehmer. Erste Clubs in Europa und den USA fragten ebenfalls nach.

Dabei spielt auch das Design eine große Rolle. Derzeit ist die neunte Edition zu haben: 0,5 Liter in einer Flasche aus Wallnussholz und Aluminium. Die gibt es in schwarzer Box mit Seidenpapier für 21,50 Euro.

Vor drei Monaten haben Hendrik Borgmann und Clausen ein eigenes Cafe und Restaurant in Berlin eröffnet. Der Name lautet: Die Apotheke. „Wir wollen die Geschichte des Kräuters und der Apotheke transportieren“, erklärt er.

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