Italien

Apotheker jubeln und hoffen

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Berlin -

Die Apothekenpflicht ist gerettet. Jetzt hoffen die italienischen Apotheker, auch bei der Lockerung von Fremd- und Mehrbesitzverbot glimpflich davonzukommen. In der kommenden Woche soll die Entscheidung fallen, ob Apothekenketten erlaubt werden oder ob Pharmazeuten die Kontrolle behalten.

Die Abgeordnetenkammer hatte der geplanten Abschaffung von Fremd- und Mehrbesitzverbot sowie Bedarfsplanung bereits im vergangenen Jahr zugestimmt; nun musste noch der Senat entscheiden. Gestern tagte die für Industriethemen zuständige Kommission zur Liberalisierung des Apothekenmarktes; die Entscheidung wurde aber auf die kommende Woche vertagt.

Die Apotheker hoffen, die komplette Freigabe noch abwenden zu können. Bei einer Anhörung hatte sich der Verband Federfarma bereits Ende vergangenen Jahres dafür ausgesprochen, dass Approbierte die Mehrheit der Firmenanteile und damit Stimmrechte halten müssen. Ähnliche Regelungen gibt es bereits in Österreich, Ungarn und anderen Ländern, auch bei der Liberalisierung in Griechenland sind entsprechende Klauseln vorgesehen, die die berufliche Unabhängigkeit sichern sollen.

Auch wenn der Ausgang noch ungewiss ist: Freuen können sich die Apotheker bereits, dass der neuerliche Angriff auf die Apothekenpflicht sehr wahrscheinlich abgewendet wurde. Der Senat stimmte dagegen, rezeptpflichtige, aber nicht erstattungsfähige Medikamente in die sogenannten OTC-Shops (Parafarmacien) zu entlassen. Zuletzt hatte der Einzelhandelsverband Conad 144.000 Unterschriften für die Freigabe gesammelt – viel zu wenig, um noch einmal Schwung in die Sache zu bekommen.

Im vergangenen Februar hatte die Regierung von Ministerpräsident Matteo Renzi ein Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs vorgelegt. Hieß es zunächst, die Apotheker hätten keine massiven Einschnitte zu erwarten, stand plötzlich das Fremdbesitzverbot zur Diskussion. Die Marktfreigabe hatten zuvor die Wettbewerbshüter gefordert.

Gesundheitsministerin Beatrice Lorenzin wehrte sich zunächst gegen die Pläne von Entwicklungsministerin Federica Guidi, bei der entscheidenden Kabinettssitzung Ende Februar knickte sie aber ein. Um die Apothekenpflicht für Präparate der Liste C zu retten, stimmte sie dem Kuhhandel zu: Die Beschränkung auf vier Apotheken pro Apotheker sei aber nicht mehr zeitgemäß und werde deshalb abgeschafft. Um die finanzielle Stabilität und damit die Überlebensfähigkeit der Apotheken zu stärken, werde man außerdem den Betrieb von Apotheken in Kapitalgesellschaften erlauben.

So kam ein Gesetzentwurf zustande, mit dem die Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes geregelt wird. Auch Großhändler sollen Apotheken betreiben dürfen; nur Ärzte und Hersteller sollen ausgenommen sein. Vorgaben zur Anzahl der Filialen gibt es nicht.

Große Proteste, wie 2006 bei der Zulassung der Parafarmacien, blieben seitens der Apotheker aus. Offenbar haben die bisherigen Lockerungen die Apotheker mürbe gemacht. Als der Kabinettsbeschluss stand, herrschte jedenfalls vor allem Erleichterung, dass nicht noch mehr Medikamente der Liste C aus der Apothekenpflicht entlassen wurden. Dass dafür Ketten zugelassen werden sollen, fiel weniger ins Gewicht.Detail

Das Problem: Als 2006 die OTC-Shops zugelassen wurden, setzten die Apotheker durch, dass auch in diesen immer ein Approbierter anwesend sein muss. Ein Pyrrhussieg, wie sich später herausstellen sollte: Weil sich Aspirin & Co. alleine tatsächlich nicht lohnen, lobbyieren die Betreiber der Parafarmacien – allen voran Supermärkte wie Coop – seit Jahren für mehr Rechte und mehr Arzneimittelkategorien.

Seit Beginn der Finanzkrise wurde immer wieder über eine Liberalisierung des Apothekenmarktes diskutiert. Der ehemalige Ministerpräsident Mario Monti hatte bereits die Bedarfsplanung gelockert und verschiedene Arzneimittel gleichzeitig aus der Rezept- und aus der Apothekenpflicht entlassen.

Besonders bitter: Erst im März hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) den Befürwortern einer Liberalisierung, wie schon mehrfach seit 2009, den Wind aus den Segeln genommen: Bedarfsplanung und Apothekenpflicht stellten zwar eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar, sie seien aber gerechtfertigt, um „eine sichere und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherzustellen“, hieß es in dem ursprünglichen Urteil.

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