Familienapotheke geschlossen

Neuanfang als Angestellte

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Berlin -

Die Stern-Apotheke in Wiesbaden befand sich viele Generationen in Familienbesitz. Nun wurde sie nach 96 Jahren aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen. Dabei hat die letzte Inhaberin, Alexandra Dziuron, die Apotheke erst vor wenigen Jahren übernommen. Für die Schließung macht die 42-Jährige die Rahmenbedingungen verantwortlich und ist überzeugt, dass das Apothekersterben weitergehen wird. Sie selbst arbeitet nach der schmerzhaften Schließung der Familienapotheke zunächst als angestellte Apothekerin.

„Es hat mir das Herz zerrissen, aber ich musste diese Entscheidung treffen“, sagte Dziuron dem Lokalmagazin „Mensch Westend“ vor wenigen Tagen. Zuletzt hatte ihre Stern-Apotheke, die seit 96 Jahren ihrer Familie gehört, mit erheblichen wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen. „Es war am Ende einfach finanziell nicht mehr tragbar, ich musste den Schlussstrich ziehen“, räumte die Apothekerin gegenüber dem Medium ein.

Dziuron hat die Stern-Apotheke erst vor sechs Jahren von ihrer Mutter übernommen – in vierter Generation. Sie hat eigenen Angaben zufolge schon früh in der Apotheke ausgeholfen: Als Schülerin hat sie in den Sommerferien im Wareneingang der Apotheke mitgearbeitet. Während des Studiums kamen Labor und Buchhaltung dazu. „Die Apotheke war schon immer mein Zuhause“, sagte die Apothekerin vor einem Jahr anlässlich des 95-jährigen Bestehens der Traditionsapotheke.

Schon bei der Übernahme soll sich die Apotheke in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage befunden haben. In dem Bericht nannte Dziuron eine ganze Reihe von Gründen, die aus ihrer Sicht zur Schließung des Familienbetriebs geführt haben sollen. Unter anderem sorgten ihrer Auffassung nach Gesundheitsreformen für die missliche Situation. Sie nannte dabei vor allem die Einführung von Festbeträgen für Arzneimittel. „Es entstand über die Jahre auch ein Bürokratie- und Zertifizierungswahn, der natürlich weitere Kosten verursachte“, wird die Apothekerin zitiert.

Aber vor allem der Preiskampf mit den Versandapotheken im Internet und der Konkurrenz vor Ort sollen das Leben des kleinen Familienunternehmens erschwert haben. Bei Rabattangeboten mit bis zu 20 Prozent Preiserlass habe die Stern-Apotheke nicht mithalten können, beklagte sie in dem Bericht.

Durch die zahlreichen Rabattverträge der Krankenkassen müssten Apotheker zudem immer mehr Medikamente vorhalten, sodass die Lagerhaltungskosten ebenfalls immer weiter stiegen. Dziuron hat in den vergangenen sechs Jahren ihr Warenlager verdoppelt. „Aber die Ansprüche der Menschen sind gestiegen, so dass sie jedes Medikament sofort haben wollen. Das war für uns nicht machbar“, sagte sie resigniert. Der Apotheke habe außerdem die Laufkundschaft gefehlt. Rund 90 Prozent der Kunden waren nach Angaben der Apothekerin Stammkunden.

All das habe sich über die Jahre summiert und die Einnahmen der Apotheke negativ beeinflusst. Da hat es am Ende auch nicht geholfen, dass die Pharmazeutin sich neben dem Tagesgeschäft auf Naturheil- und Familienkunde spezialisiert hat. „Familien oder schwangere Frauen konnten mit allen Problemen zu uns kommen. Uns war immer eine individuelle persönliche Beratung wichtig“, sagte Dziuron dem Lokalmagazin.

Als die finanzielle Situation immer komplizierter wurde, und auch die Bank wegen der Altlasten immer mehr Druck ausübte, war die schmerzliche Entscheidung laut dem Bericht für Dziuron unausweichlich. „Kunden haben bei mir in der Apotheke geweint und gesagt: ‚Sie haben meine Kinder ihr Leben lang begleitet. Dass sie gehen, bedeutet für uns einen erheblichen Verlust an Lebensqualität'“, berichtete sie.

Doch die Stern-Apotheke wird nicht die letzte sein, die aufgeben muss, meint Dziuron. Durch die Konkurrenzsituation unter anderem im Internet werde das Apothekersterben weitergehen, prognostiziert sie. Die Menschen würden das wohl erst realisieren, wenn es keinen Nacht- und Notdienst mehr vor Ort gebe.

Was mit den Räumen der ehemaligen Stern-Apotheke nun geschehen wird, ist noch ungewiss. Ein neuer Eigentümer konnte zwar bereits gefunden werden. Es ist allerdings nicht bekannt, ob er in dem Gebäude wieder eine Apotheke betreiben wird. Wie es für die 42-Jährige weiter geht, steht ebenfalls noch nicht endgültig fest. Aktuell arbeitet Dziuron als Angestellte in der Rochus Vital Apotheke. Die Apothekerin will ihrem Beruf in jedem Fall treu bleiben.

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