Versandhandel

Wenn Amazon den Hahn zudreht

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Berlin -

Zahlreiche Apotheken mit Versandhandelserlaubnis bieten Arzneimittel auf Amazon an. Doch wer eine Partnerschaft auf Augenhöhe erwartet, kann ganz hart auf dem Boden der Tatsachen aufschlagen. Denn die Einzelhändler, die mit der Handelsplattform eine Lizenz eingehen und dafür zahlen, liefern sich aus. Am Ende gewinnt immer Amazon. In einem Bericht der Wirtschaftswoche erzählen Kleinhändler, wie der Gigant beinahe ihre Existenz zerstört hat.

Es ist unbestritten: Der US-Gigant bietet gerade Mittelständlern enorme Chancen. Über die Plattform erreichen sie ein Millionenpublikum, ohne viel Geld in einen eigenen Shop oder Werbung investieren zu müssen. Doch einige Beispiele zeigen, dass gerade für Kleinstunternehmen der Ausflug in die große weite Welt des Onlinehandels abrupt enden kann. Wer durch bestimmte Raster fällt, sich an kleinteilige Regeln nicht hält oder gar grundlos unter Fälscherverdacht gerät, wird gnadenlos entsorgt.

So ist es auch Faruk Elem ergangen. Seiner Frau gehört die Firma RL Media. Elem organisiert das Tagesgeschäft. Noch vor drei Jahren verkauften sie Schmuck über Amazon. Das Geschäft soll zunächst durch die Decke geschossen sein. Doch dann hinterlässt ein Kunde einen verhängnisvollen Kommentar: Man solle doch mal prüfen, ob die von Elem verkauften Uhren überhaupt echt sind. Drei weitere User äußern sich ähnlich skeptisch. Keiner der Kunden behauptet direkt, die Uhren seien gefälscht, oder liefern gar Beweise.

Doch Amazon fackelte nicht lang. Ohne Vorwarnung wurde Elems Verkäuferkonto gesperrt, das bereits bezahlte Geld der Kunden zurückgehalten. Beim US-Riesen gelte eben: Im Zweifel gegen den Angeklagten, schreibt die Wirtschaftswoche. In dem Bericht erinnert sich Elem, wie er in er Küche mit einem Stapel an Rechnungen saß, die er nicht mehr bezahlen konnte. „Amazon zerstört Existenzen“, so sein Fazit.

Elem versuchte, zu kämpfen. Viele Monate nach der Kontosperrung und Verdienstausfall hatte der Händler alle Unterlagen beisammen, die seine Unschuld beweisen sollten, darunter ein Schreiben eines Kooperationspartners des Uhrenherstellers, der den Fälschungsverdacht nicht bestätigt sowie ein Gutachten einer renommierten Anwaltskanzlei, die eine Uhr hatte überprüfen lassen.

Nach einem kafkaesk anmutenden E-Mail-Wechsel zog Amazon jedoch endgültig den Schlussstrich. Der Wirtschaftswoche liegt die letzte E-Mail der US-Handelsplattform an Elem vor. „Wir haben uns dafür entschieden, Ihr Verkäufer-Konto nicht wieder freizuschalten. Dies ist unser letztes Wort in dieser Angelegenheit“: Zwei Sätze, die für den Kleinunternehmer die Vertreibung aus Paradies bedeuteten. Heute soll Elem Handyhüllen auf Ebay verkaufen. Etwas Wehmut schwingt mit, wenn er der Wirtschaftswoche erzählt, dass bei Amazon nochmals der doppelte Umsatz drin gewesen wäre.

Die Geschichte von Elem ist offenbar kein Einzelfall. Ein großer Händler, der mehr als eine Million Euro jährlich mit Amazon umsetzen soll, erzählt der Zeitung, sein Account sei vier Mal gesperrt worden. Plötzlich sei so ein bedeutender Teil seines Umsatz weggebrochen, sodass er gezwungen gewesen sei, Mitarbeiter zu entlassen.

Über ein Jahr habe es gedauert, bis sein Konto endlich wieder entsperrt war. Mittlerweile gibt der Händler an, mit mehreren Accounts auf Amazon zu arbeiten. Eigentlich darf er das nicht. Doch das Risiko gehe er lieber ein, als völlig außen vor zu stehen.

„Verkäuferkonten werden häufig ohne Vorwarnung geschlossen“, sagte Yvonne Bachmann, die als Anwältin für den Händlerbund Unternehmer berät, die Geschäfte auf Amazon machen, gegenüber der Wirtschaftswoche. Doch 90 bis 95 Prozent aller Sperrungen sollen – entgegen des subjektiven Empfindens der Betroffenen – allerdings berechtigt sein. Das größte Problem vieler Händler in diesem Moment sei, „dass die meisten zunächst nicht im Einzelnen wissen, was sie falsch gemacht haben.“

Verstößt ein Händler gegen eine der vielen Regeln oder steht er auch nur im Verdacht, dies zu tun, muss er einen Plan vorlegen, der beschreibt, wie er sicherstellen will, dass das nicht noch einmal passiert, erklärt die Wirtschaftswoche den Schlachtplan für Kleinhändler. Das klinge jedoch einfacher, als es ist, schickt man allerdings hinterher. Denn ist das Konto erst einmal gesperrt, entwickele sich jede Kommunikation mit Amazon „zum Höllenritt“.

Kleine Händler haben bei Amazon keine festen Ansprechpartner, wird im Bericht erläutert. Sie müssten ihre Pläne an anonyme Adressen schicken. Auf eine Antwort warte man häufig vergebens. Geschieht das dann doch, werde immer alles nach einem Standardprogramm abgearbeitet – egal, ob dieses individuell Sinn macht.

Gerade bei Fälschungsverdacht soll Amazon gnadenlos sein. Dabei soll auch schon mal eine einzige Verdachtsmeldung ausreichen und das Verkäuferkonto ist ruckzuck gesperrt. Im Zweifelsfall sperre Amazon offenbar lieber einen Händler zu viel. Denn Onlinehandelsplattformen können haftbar gemacht werden, wenn Händler dort gefälschte Waren verkaufen. Der Konkurrent Ebay hat diese Erfahrung bereits gemacht, als er erfolgreich von L’Oréal und den Luxusherstellern Tiffany und LVMH (Louis Vuitton) verklagt wurde.

Fakt ist: Die Handelsplattform hat das Hausrecht. Unternehmer besitzen keinen Anspruch darauf, auf der Plattform zu handeln. Allein Amazon entscheidet, wer dort seine Ware präsentieren und verkaufen darf. Dem Bericht nach kann das US-Unternehmen einen Vertrag auch ohne Grund innerhalb von 14 Tagen kündigen. Es sei der Preis für die gigantischen Möglichkeiten, die die Plattform bietet.

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