SWR Marktcheck

Glaeske fordert Werbeverbot für Nasenspray

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Berlin -

„Hauptsache ich bekomme Luft“: Zehntausende Deutsche greifen täglich zu einem abschwellenden Nasenspray. Eine verstopfte Nase kann aber auch der Einstieg in die Abhängigkeit sein – mit fatalen Folgen. Diese würden von der Werbung aber verschwiegen, moniert Professor Dr. Gerd Glaeske. Der Pharmakologe fordert seit Langem ein Werbeverbot.

Glaeske schätzt die Zahl der nasensprayabhängigen Deutschen auf etwa 100.000 – die Dunkelziffer sei jedoch höher. Die Betroffenen sprechen von Panik, wenn sie ohne das abschwellende Spray sein müssen und haben Angst zu ersticken. Die Suche nach dem „nächsten Schuss“ scheint unproblematisch, da die Präparate in Apotheken rezeptfrei zu kaufen sind. „An den mehr als 100.000 Abhängigen verdient die Pharmaindustrie gut. Unter den Top 20 der meist verkauften, rezeptfreien Arzneimittel belegt ein Nasenspray Platz 1“, heißt es bei Marktcheck.

Eine Verkaufsbeschränkung gibt es laut Marktcheck nicht, aber die Apotheker könnten theoretisch die Abgabe verweigern, wenn Missbrauch angezeigt ist. Und so steigt die Zahl der Betroffenen. Denn Ausweichmöglichkeiten und Notlügen gibt es viele.

Die Folgen der Sucht können verheerend sein. Riechstörungen, Blutungen, Krustenbildung, Erwärmungs- und Befeuchtungsfunktion der Nase lassen nach, die Schleimhaut verändert sich. Ein Teufelskreis, den zu durchbrechen in vielen Fällen nur eine Operation vermag. Professor Dr. Frank Riedel vom HNO-Zentrum Rheinneckar führt die Operation durch, bei der beispielsweise die Schwellkörper verödet werden, dennoch bleibe ein Problem: „Man kann eben diese Degeneration in der Schleimhaut nicht wieder vollkommen umdrehen. Denn nur durch ein Begradigen der Scheidewand ändert sich die Situation in der Schleimhaut ja nicht. Eventuell fehlt trotzdem die Befeuchtungsfunktion, es kommt trotzdem zu Krustenbildung, auch wenn der Luftstrom optimiert wurde in der Nase“.

Glaeske geht weiter. Der Pharmakologe fordert ein Werbeverbot für abschwellende Nasensprays. „Es wird immer vereinfacht dargestellt, dass die Wirkung im Vordergrund steht, aber die unerwünschten Auswirkungen, auch die Langzeitfolgen eigentlich nicht benannt werden. Und insofern sollte für all diese Mittel, die tatsächlich auch missbräuchlich angewendet werden können, die Werbung unterbunden werden."

Gegen eine kurzzeitige Anwendung der Präparate spreche prinzipiell nichts. Verwender sollten sich jedoch an die maximale Anwendungsdauer von fünf bis sieben Tagen halten. Von den scheinbar harmlosen Produkten wurden 2017 etwa 80 Millionen Packungen abgegeben. Xylometazolin und Oxymetazolin sind bekannte Sympathomimetika. Sie wirken gefäßverengend und lassen die Nasenschleimhäute durch Einfluss auf die Alpha-Adrenozeptoren abschwellen – die Nase ist frei. Gefährlich kann es werden, wenn die maximale Anwendungsdauer überschritten wird.

Bereits nach nur zehn Tagen kontinuierlichen Gebrauchs kann die Nasenschleimhaut dauerhaft anschwellen und die Atmung erschweren. Ursache kann der Rebound-Effekt durch die Stimulation der Beta-Rezeptoren sein, die einen gefäßerweiternden Effekt hervorrufen. Der gefäßverengende Effekt überwiegt, die Wirkung auf die Beta-Rezeptoren dauert jedoch länger an. Diskutiert wird ebenfalls eine Gewöhnung durch Überstimulation der Alpha-Rezeptoren. Die Betroffenen sprühen weiter und geraten in einen Teufelskreis. Die Nasenschleimhäute trocknen mehr und mehr aus und werden rissig. Ärzte sprechen von einer Rhinitis medicamentosa.

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