Kommentar

Steinbach schießt gegen Ratiopharm

, Uhr
Berlin -

Die ehemalige CDU-Politikerin Erika Steinbach meldet sich mal wieder mit Kritik an den gesellschaftlichen Zuständen zu Wort. Diesmal schießt sie jedoch nicht gegen angebliche „Gutmenschen“ oder „linke Chaoten“, sondern gegen Arzneimittelhersteller. Genauer gesagt gegen Ratiopharm, Allergan und Nordmark. Denn die tragen aus ihrer Sicht mit ihren Beipackzetteln zur Islamisierung des Abendlandes bei.

Erika Steinbach hat sich schon mit so mancher steilen These zum öffentlichen Gespött gemacht. Da wies sie beispielsweise darauf hin, dass die Nazis doch gar nicht „rechts“, sondern eigentlich „links“ gewesen seien – schließlich habe es ja „Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei” geheißen. Die 75-Jährige war lange als Rechtsauslegerin der CDU bekannt und sorgte häufig mit ihrer erzkonservativen Weltsicht für Debatten. Spätestens als sie ihre Partei 2017 verließ und im Bundestagswahlkampf die AfD unterstützte, war die einst prominente Politikerin auch in der Union bei den meisten abgehakt.

Statt nach Ende ihrer Abgeordnetenkarriere den Ruhestand zu genießen, verdingt sich Steinbach nun als Vorsitzende der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung, schreibt für neurechte Gazetten wie den Deutschland-Kurier und bespaßt ihre Filterblase auf Twitter. Nun hat sie sich die stramme Reaktionärin nach Muslimen, Homosexuellen und Linken neue Feinde ausgesucht: Ratiopharm, Allergan und Nordmark. Deren Medikamente solle man „besser meiden“, verriet sie ihren knapp 27.000 Twitter-Followern.

Der Grund ist kein Geringerer als die Islamisierung des Beipackzettels. In ihrem Tweet verlinkt sie auf die Seite des nationalkonservativen Blogs „Tichys Einblick“, eine der renommiertesten Seiten gutbürgerlicher Islamophobie. Darin ereifert sich Kolumnist Alexander Wallasch über die, wie er insinuiert, falsche Rücksichtnahme und Bevorteilung von Muslimen hierzulande. Denn in der Packungsbeilage findet sich tatsächlich ein Auszug aus dem Koran! Hintergrund: Pankreatin Mikro wird aus der Bauchspeicheldrüse von Schweinen gewonnen. Bekanntermaßen ist das für gläubige Muslime nicht ganz unproblematisch.

Deshalb haben sich die Unternehmen einen Kniff überlegt. Für gläubige Patienten haben sie einen kurzen Anhang am Beipackzettel ergänzt, der auf die schweinische Herkunft der Enzyme verweist und klarstellt: „Auch muslimische Patienten dürfen Pankreatin Mikro-ratiopharm 20.000 einnehmen.“ Zum Beleg folgt die Stelle, die Steinbachs und Wallaschs Glauben in die christlich-jüdische Arzneimitteltradition bei Ratiopharm erschüttert hat: ein Vers aus dem Koran.

Tatsächlich wird nämlich in einem Vers der zweiten Sure darauf verwiesen, dass Blut und Fleisch vom Schwein haram, also verboten sind. Außer man nehme es „(aus der Not) gezwungen, unfreiwillig, ohne böse Absicht und nicht unmäßig“ zu sich. Im türkischen noch expliziter als in der deutschen Übersetzung, geht die Koransure darauf ein, dass Produkte vom Schwein erlaubt sind, wenn man in einer gesundheitlich schweren Lage ist. Was für Muslime nun dafür sprechen soll, das Medikament trotz möglicher Bedenken zu nehmen, erzeugt bei Steinbach offenbar den gegenteiligen Effekt: „Eine Sure im Beipackzettel der Medikamente, nein danke!“

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Neuere Artikel zum Thema

APOTHEKE ADHOC Debatte