Blutdrucksenkung

Polypille bringt nichts

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Berlin -

Die Deutsche Hochdruckliga (DHL) betrachtet die Idee einer Polypille für alle Patienten als gescheitert. Eine Blutdrucksenkung sei nur sinnvoll, wenn der Blutdruck erhöht sei und die Medikamente vor den langfristigen Folgen des hohen Blutdrucks schützten. Die Behandlung aller älteren Menschen – unabhängig von den Blutdruckwerten – hat in einer internationalen Studie keine Schutzwirkung erzielt.

Die meisten Menschen sterben an Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Die Prävalenz steigt ab einem Alter von 50 Jahren stark an. Zu den wichtigsten Risikofaktoren gehören nach aktuellem Stand des Wissens hoher Blutdruck und hohe Cholesterinwerte. Für beides gibt es gut verträgliche Medikamente. Das einfachste wäre, so die Überzeugung von Forschern, wenn alle Menschen ab einem gewissen Alter diese Mittel einnähmen, egal ob sie erhöhte Blutdruck- oder Cholesterinwerte haben.

Diese Idee der Polypille für alle wurde in den letzten Jahren in einer Studie an 228 Zentren in 21 Ländern untersucht. An der HOPE 3-Studie, deren Ergebnisse jetzt in den USA vorgestellt wurden, hatten insgesamt 12.705 Männer im Alter von über 55 Jahren und Frauen über 65 Jahren teilgenommen. Alle hatten ein leicht erhöhtes Herzkreislaufrisiko: Sie waren entweder Raucher, übergewichtig oder hatten ungünstige Fett- oder Blutzuckerwerte. Weitere Einschlusskriterien waren Nierenfunktionsstörungen oder Verwandte, die frühzeitig an Herzkreislaufleiden gestorben waren. Ein erhöhter Blutdruck gehörte nicht zu den Bedingungen, die die Studienteilnehmer erfüllen sollen – die Idee der Polypille sieht vor, dass auch Menschen mit normalem Blutdruck Antihypertonika einnehmen sollen.

Die Blutdruckbehandlung erfolgte in der Studie mit Candesartan und Hydrochlorothiazid (HCT), zwei häufig in der Blutdrucktherapie kombinierten Wirkstoffen. Candesartan greift direkt in die Regulierung des Blutdrucks ein, HCT steigert die Wirkung durch eine Entwässerung über die Nieren. Die Studie untersuchte zusätzlich die Wirkung eines Lipidsenkers, der ebenfalls zum Konzept der Polypille gehört – ebenso wie Acetylsalicylsäure, die in der HOPE 3-Studie jedoch nicht untersucht wurde.

Das Ziel der Studie: Die Patienten sollten vor Herzinfarkt und Schlaganfall, vielleicht auch vor Herzschwäche, plötzlichem Tod oder einer Behandlung verengter Herzkranzgefäße bewahrt werden. Am Ende wurden die Hoffnungen jedoch enttäuscht. Nach einer Behandlungszeit von 5,6 Jahren senkten die Hochdruckmedikamente in der Gesamtgruppe der Teilnehmer die Zahl der Herz-Kreislauf-Ereignisse nicht. Anders jedoch die Ergebnisse bei den Teilnehmern, die zu Beginn einen erhöhten Blutdruck aufwiesen: Im Drittel mit den höchsten systolischen Blutdruckwerten sank die Zahl der Herz-Kreislauf-Ereignisse um 24 bis 28 Prozent. Teilnehmer mit niedrigeren systolischen Blutdruckwerten hatten dagegen keine Vorteile durch die Blutdrucksenkung.

Diese Ergebnisse sind aus Sicht der Deutschen Hochdruckliga (DHL) nicht überraschend. „Seit langem steht fest, dass eine Senkung des Blutdrucks nur bei erhöhten Werten sinnvoll ist“, erklärt Professor Dr. Martin Hausberg, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Hochdruckliga. „Bei normalen Blutdruckwerten kann die Einnahme von Blutdruckmedikamenten sogar schaden.“ Wie weit der Blutdruck bei erhöhten Werten gesenkt werden sollte, hänge von den Vorerkrankungen ab. Zwei weitere Studien hätten in den letzten Jahren wichtige Hinweise geliefert.

So hatte die „Sprint“-Studie in den USA im vergangenen Jahr gezeigt, dass zumindest für bestimmte Bluthochdruck-Patienten ein systolischer Zielwert von 120 günstiger ist als die bisher anvisierten 140. Bei Menschen mit Diabetes wird aufgrund der „Accord“-Studie ein etwas höherer diastolischer Zielwert von unter 140 mm Hg angestrebt. Die Studie hatte ergeben, dass eine stärkere Blutdrucksenkung bei Diabetikern keine sicheren Vorteile hat.

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