Koalitionsgipfel

Entscheidung über Rx-Versandverbot

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Berlin -

Für die Apotheker schlägt heute Abend um 20 Uhr die Stunde der Wahrheit. Dann treffen sich im Kanzleramt die Spitzen der Großen Koalition zu ihrem letzten Gipfel. Geklärt werden soll, welche Themen Union und SPD vor der Bundestagswahl am 24. September noch gemeinsam abräumen. Dann herrscht Wahlkampf. Auf der Themenliste steht auch der Rx-Versandhandel. Kanzlerin Angela Merkel (CDU), CSU-Chef Horst Seehofer und SPD-Chef Martin Schulz werden über dessen Schicksal entscheiden – Ausgang offen.

Die Fronten sind verhärtet. Wie angespannt die Lage in der großen Koalition ist, zeigt die Einladung der CDU/CSU-Fraktion. Um acht Uhr am Donnerstagmorgen treffen sich die Unions-Abgeordneten zu einer Sondersitzung, um die Ergebnisse des Koalitionsgipfels zu beraten. Denn nicht nur beim Rx-Versandhandel steht es Spitz auf Knopf: Eigentlich hatten sich die beiden stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Georg Nüßlein (CSU) und Karl Lauterbach (SPD) bereits am Dienstag auf einen Kompromiss beim umstrittenen Pflegeberufegesetz geeinigt. Eine gemeinsame Pressekonferenz wurde bereits angekündigt. Doch die SPD-Fraktion pfiff Lauterbach wieder zurück. Der Deal kam der Union zu weit entgegnen. Nüßlein musste allein vor die Mikrofone. Jetzt wird weiter verhandelt.

Die Nerven der Großkoalitionäre sind also angespannt. Wenn heute Abend das Rx-Versandverbot im Kanzleramt aufgerufen wird, steht auch Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) unter Druck und muss sich bereithalten. Gegebenenfalls wird er als Fachminister zur Spitzenrunde hinzugezogen. Er müsste die Einwände der anderen Ressorts ausräumen. Mehr noch: Selbst in seinem Ministerium soll es dem Vernehmen nach einen internen Vermerk geben, der ebenfalls Zweifel an der EU-Verträglichkeit des Rx-Versandverbotes aufwirft.

Nach außen hin geschlossen pro Rx-Versandverbot will die Union in die Verhandlungen ziehen. Aber natürlich wissen auch die SPD-Unterhändler, dass der Rückhalt für Gröhe in den vergangenen Tagen und Wochen in den eigenen Reihen gebröckelt ist. Es ist kein Zufall, dass der ablehnende Vermerk des Bundesfinanzministerium von Wolfgang Schäuble (CDU) in die Öffentlichkeit gelangte. Auch in den CDU-Landesgruppen gab es zuletzt mehr und mehr kritische Stimmen.

Eigentlich wollen Union und SPD das Thema endlich vom Tisch bekommen. Trotzdem kann man nur darüber spekulieren, wie die Sache heute Abend ausgeht: Erreicht ein strittiges Thema den Verhandlungstisch der Koalitionsspitzen, gibt es normalerweise Vorlagen mit ausgearbeiteten Kompromissvorschlägen. Merkel, Seehofer und Schulz begeben sich nicht in die Niederungen der politischen Sacharbeit. Dabei kommt selten etwas Gute heraus. Vermutlich geht es daher um die Entscheidung: Kompromiss oder Diskontinuität.

Die meisten politischen Beobachter halten es für ausgeschlossen, dass die SPD doch noch Ja zum Rx-Versandverbot sagen könnte. Am gemeinsamen Nein des konservativen Seeheimer Kreises und der Parteilinken hat auch SPD-Chef Schulz mitgewirkt. Damit dürfte die Ablehnung zementiert sein.

Es muss heute Abend also ein Kompromiss gefunden werden, der auch Bundesgesundheitsminister Gröhe das Gesicht wahren lässt. Nur so kann die Union beidrehen. Das wird schwierig genug. In den letzten Tagen gab es viele Gespräche unter dem Motto: „Hand aufs Herz, was geht noch?“ Auch die ABDA war daran beteiligt.

Gibt es keine gütliche Einigung, landet der Rx-Versandhandel im Wahlkampf, vor allem in NRW. Als Flächenland mit vielen Apotheken könnte das Thema dort zünden. Allerdings: Seitdem das CDU-geführte Bundesfinanzministerium ebenfalls Bedenken zum Rx-Versandverbot angemeldet hat, dürfte es Gröhe schwerer fallen, alleine die SPD als Apothekenschreck an die Wand zu malen.

Auch die ABDA muss sich ab Donnerstagmorgen auf die neue Lage einstellen. Seit Oktober hat sie „aus allen Rohren“ geschossen, Plakate geklebt, lobbyiert, 1,2 Millionen Unterschriften gesammelt und das Ende des bewährten Apothekensystems heraufbeschworen. Aber irgendwie muss es morgen weiter gehen. Ins Apothekerhaus sind alle Öffentlichkeitsarbeiter der Kammern und Verbände geladen – nicht wegen des Koalitionsgipfels, aber dort wird man die aktuelle Lage bewerten.

Viel Zeit für die Beratung der verschiedenen Themen bleibt den Parteichefs nicht: Die Liste umfasst 14 Punkte. Aufgerufen wird das Verbot von Kinderehen, die Solidarrente, die Deckelung der Managergehälter, die Ehe für alle, Recht auf zeitlich befristete Teilzeit, die Lohngleichheit für Frauen und Männer, leichtere Abschiebung bei Sozialbetrug, die Kürzung des Kindergeldes für EU-Ausländer, härtere Strafen für Einbruchsdiebstahl, Ausnahmen Mindestlohn fürs Ehrenamt, die Reform der Ausbildung in Pflegeberufen, die Gebäudesanierung und Dämmvorschriften und Verbandsklagerecht gegen Bebauungspläne. Ob sich daraus politische Pakete schnüren lassen, muss man abwarten.

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