Österreich

Der Pilger-Apotheker

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Berlin -

Aaron Sallegger wurde die Wanderleidenschaft in die Wiege gelegt. Die Apothekerfamilie stammt aus der Steiermark – Vorau, eine knapp 5000 Einwohner große Gemeinde, liegt an zahlreichen Wanderwegen und Pilgerrouten. Nach ein paar Jahren in der Offizin wollte der junge Pharmazeut eine Veränderung und machte sich zu Fuß auf den Weg ins spanische Santiago de Compostela. Heute teilt er seine Leidenschaft mit Kunden und bietet Pilgerberatung in der Offizin an.

Vor sechs Jahren wurde Sallegger eine Frage nicht mehr los: „Kann es das gewesen sein?“ Nach dem Pharmaziestudium und ersten praktischen Erfahrungen in der Apotheke suchte er nach einer Veränderung. Wie viele Menschen fand er sie im Pilgern. Die „Wallfahrten“ haben für viele mehr als einen religiösen Hintergrund. Es geht um die Suche nach dem Selbst, nach Ruhe und der Sehnsucht nach Langsamkeit.

Der Pharmazeut marschierte von Graz auf dem populären Jakobsweg nach Santiago de Compostela. In rund drei Monaten lief er 2500 Kilometer. Das seien rund 7,5 Millionen Schritte gewesen. Die Reise gab Sallegger die nötige innere Ruhe zurück. Zwischenzeitlich war er in der ganzen Welt auf Weitwanderwegen unterwegs: Neuseeland, Schweden, Island und natürlich im Heimatland Österreich. 2014 begann er in der väterlichen Augustinus-Apotheke als leitungsberechtigter Apotheker. Dort ist der ausgebildete Fitnesscoach auch für die seit 2007 angebotene Pilger-Beratung zuständig.

In der 1998 gegründeten Apotheke kommen immer wieder Wanderer und Pilger vorbei. „Wir liegen an einer wichtigen Pilgerroute nach Mariazell“, sagt Sallegger. Knapp eine Million Wallfahrer pilgern jährlich in die Gemeinde im Norden der Steiermark, laut Touristeninformation der größte Wallfahrtsort Mitteleuropas. Der ungarische Wanderweg über Vorau ist knapp 190 Kilometer lang. „Immer wieder stolpern Pilger bei uns rein.“

Unter den Pilgern seien hauptsächlich Menschen in einem Alter über 50 Jahre. Die Wanderer benötigten vor allem klassische Produkte für die Reiseapotheke. Der Apotheker empfiehlt Elektrolytgranulate mit hohem Magnesium-/Kaliumgehalt und eventuell mit Maltodextrin sowie kalorienreiche Riegel, um sich große Proviantpakete zu ersparen. Zudem benötigten die Pilger kühlende und oder wärmende Gele zur Muskelregeneration, eine Ration Blasenpflaster, Sonnenschutz, Kniebandagen, Schmerzmittel, Desinfektionsmittel und Mückenschutzpräparate. „Ein Geschäft macht man damit nicht.“

Zudem bietet die Apotheke saisonal Wanderaktionen an, um auch vorab zu informieren. Dazu werden Stöcke, Rucksäcke sowie Hüte und Wanderstiefel in der Offizin dekoriert. „Früher hatten wir einen Stockverleih, das machen wir aber nicht mehr“, so Sallegger. In Österreich sind Apotheken mit einer Erlaubnis für den Handel mit Waren aller Art rechtlich auf der sicheren Seite, wenn sie apothekenfremde Produkte anbieten. Der Schwerpunkt liege jetzt auf dem Apothekensortiment, so der Pharmazeut.

Die Pilger benötigten jedoch nicht nur Verbands- und Arzneimittel. „Sie wollen vor allem Zuspruch“, sagt Sallegger. „Ich kann das aus eigener Erfahrung verstehen.“ Man sehne sich nach Wertschätzung. Einige Wanderer suchten den Betrieb auch in Akutfällen auf. Einmal musste der Apotheker einen neunjährigen Jungen aus den USA mit einer klaffenden Wunde versorgen. Als ausgebildeter Rettungssanitäter war der Notfall für ihn kein Problem. Noch immer liebt Sallegger das Wandern, auch wenn die Touren mit den wenige Monate alten Zwillingen derzeit bei etwa einer Stunde und bis zu sieben Kilometern liegen. „Ich werde die Wanderleidenschaft meinen Söhnen auf jeden Fall mit auf den Weg geben.“

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