Alphablocker

Terazosin & Co.: BPH-Wirkstoffe gegen Parkinson?

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Berlin -

Immer wieder werden neue Einsatzmöglichkeiten für bereits bewährte Wirkstoffe entdeckt: Forscher aus Peking und Iowa City stellten anhand von Analysen und Tierexperimenten fest, dass einige Wirkstoffe, die bei gutartiger Prostatavergrößerung eingesetzt (BPH) werden, möglicherweise einen positiven Einfluss auf die Entstehung und das Fortschreiten von Morbus Parkinson haben könnten.

Besonders ins Auge gefasst wurde von den Wissenschaftlern der Wirkstoff Terazosin: Es handelt sich dabei um eine Substanz aus der Gruppe der Alphablocker, welche zur Behandlung der Symptome einer Prostatavergrößerung bei BPH eingesetzt wird. Terazosin hat sympatholytische und blutdrucksenkende Eigenschaften, die auf dem kompetitiven Antagonismus an den Alpha-1-Rezeptoren entstehen. Dadurch wird eine Entspannung der Gefäßmuskeln erzielt, es kommt zur Gefäßerweiterung und die die Symptome der BPH werden lindert: Die Miktion wird erleichtert. In einigen Ländern ist der Wirkstoff auch zur Behandlung der Hypertonie zugelassen.

Terazosin soll neben seiner Wirkung auf die Alpha-1-Rezeptoren neueren Studien zufolge auch die Phosphoglycerat-Kinase-1 hemmen – ein Enzym der Glykolyse. Dadurch soll die Energieversorgung aller Körperzellen verbessert werden – darunter auch die des Gehirns. In der Substantia nigra, einer wichtigen Gehirnregion, könnte dieser Effekt helfen, einen vorzeitigen Zelltod zu vermeiden, welcher eine Ursache des Morbus Parkinson darstellt.

Die Forscher konnten nun an verschiedenen Krankheitsmodellen bei Mäusen zeigen, dass das Absterben der Gehirnzellen unter Terazosin tatsächlich hinausgezögert werden kann. Dieser Effekt wurde auch dann noch beobachtet, wenn bei den Mäusen bereits erste Symptome des Zell-Untergangs zu erkennen waren. Getestet wurden verschiedene Alphablocker: Darunter Doxazosin, Alfuzosin und Tamsulosin. Während letzterer aufgrund einer anderen Molekülstruktur keine Wirkung zeigte, konnten bei Doxazosin und Alfuzosin ähnliche Effekte wie bei Terazosin beobachtet werden.

Um die Beobachtungen zu untermauern, zogen die Wissenschaftler verschiedene Datenbanken mit Verordnungsraten hinzu: Es wurden knapp 3000 Patienten mit Morbus Parkinson, die mit Terazosin, Doxazosin oder Alfuzosin behandelt wurden, mit gut 15.400 Parkinson-Patienten verglichen, die mit Tamsulosin behandelt wurden. Die Patienten der ersten Gruppe wurden seltener als die Tamsulosin-Gruppe wegen motorischer Symptome oder wegen Komplikationen des Morbus Parkinson im Krankenhaus behandelt.

Den Forschern zufolge deutet diese Erkenntnis auf eine sekundärpräventive Wirkung von Terazosin, Doxazosin und Alfuzosin hin. Die drei Wirkstoffe könnten das Fortschreiten eines bereits bestehenden Morbus Parkinson möglicherweise verlangsamen. Eine weitere Analyse zeigte, dass von knapp 78.500 Patienten, die mit Terazosin, Doxazosin oder Alfuzosin behandelt wurden, im Verlauf von knapp 300 Tagen 118 neu an Parkinson erkrankten, bei Tamsulosin-Einnahme waren es vergleichsweise 190. Die Beweiskraft einer solchen Analyse ist zwar gering, eine Durchführung von randomisierten, kontrollierten Studien könnte in Zukunft die Beobachtungen untermauern.

Die Forschung im Bereich Parkinson ist groß: Auch das Antidiabetikum Metformin zeigte in vergangenen Studien weitere, therapeutisch möglicherweise relevante Nebeneffekte in Bezug auf Parkinson: Untersuchungen zeigten, dass der Arzneistoff den Energiehaushalt in geschädigten Körperzellen reguliert und so die Zellen schützt. Im vergangenen Jahr fanden Tübinger Wissenschaftler in internationaler Zusammenarbeit mit weiteren Kollegen heraus, dass auch Niacin (Nicotinsäure) – ein Vitamin aus dem B-Komplex – möglicherweise das Absterben von dopaminhaltigen Neuronen stoppen und künftig ein Wirkstoffkandidat für die Therapie des Morbus Parkinson sein könnte.

Die Forscher versuchten die Bildung neuer Mitochondrien anzukurbeln: Für diesen Prozess ist das Coenzym NAD (Nicotinamid-Adenenin-Dinucleotid) von Bedeutung. Den Zellen wurde die Vorstufe des Coenzyms – Nicotinamid-Ribosid – zugeführt. In der Folge nahm der NAD-Spiegel in den Zellen zu. Der Energiehaushalt in den Nervenzellen verbesserte sich, es bildeten sich neue Mitochondrien und die Energieproduktion erhöhte sich.

Morbus Parkinson kann bislang nur symptomatisch therapiert werden. Die Erkrankung ist gekennzeichnet durch den Untergang dopaminerger Neuronen. Die vier Hauptsymptome sind Rigor, Bradykinese bin hin zu Akinese, Tremor sowie posturale Instabilität. Therapeutisch kommt derzeit in erster Linie Levodopa – die Dopamin-Vorstufe – zum Einsatz. Weiterhin können Dopaminrezepor-Agonisten wie Ropinirol und Pramipexol, Muscarinrezeptor-Antagonisten wie Biperiden, MAO-B-Hemmer (Selegilin, Rasagilin), COMT-Hemmer (Entacapon, Tolcapon), NMDA-Antagonisten (Amantadin) sowie Anticholinergika eingesetzt werden.

Weltweit sind rund zehn Millionen Menschen von der Erkrankung betroffen, die zu den häufigsten Krankheiten des Nervensystems zählt. Die Häufigkeit nimmt mit dem Alter zu. Es werden verschiedene Formen der Parkinson-Erkrankung unterschieden, der Großteil der Fälle geht auf das idiopathische Parkinson-Syndrom (IPS) zurück, das keine bekannte Ursache hat. Daneben kann die Krankheit als Folge anderer neurologischer Pathomechanismen auftreten oder auch genetisch bedingt sein. Sind Ursachen bekannt, beispielsweise Arzneimittel oder Tumor, ist die Rede von einem symptomatischen Parkinson-Syndrom.

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