Cannabis-Produkte

CBD-Produkte: „Eigentlich müssten die Behörden durchgreifen“

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Berlin -

Der Markt für Cannabis-Produkte wächst und wächst. Man könnte aber auch sagen, er wuchert: Denn vor allem beim Thema Cannabidiol (CBD) herrscht nach wie vor vielerorts Unsicherheit und Uneinigkeit bezüglich der Rechtslage. Apotheker, die sich nicht intensiv mit dem Thema befassen, bleiben da oft ratlos zurück: Darf ich CBD-Zubereitungen ohne Rezept abgeben? Warum stehen CBD-Öle in vielen Drogerien, sind aber beim Großhändler nie verfügbar? Ist CBD ein Arznei- oder ein Nahrungsergänzungsmittel (NEM)? Markus Fischer, Gründungsmitglied und Vorstandsvorsitzender des Verbands der Cannabis versorgenden Apotheken (VCA), beklagt den bisher inkonsistenten Umgang mit CBD und hat einen rigorosen Ratschlag an seine Kollegen.

„Cannabidiol-Produkte sind gerade das Gold der Branche“, sagt Fischer und meint das nicht nur positiv. Denn Gold lockt immer auch Goldgräber an, die oft mit zweifelhaften Methoden arbeiten. „Das Dilemma ist, dass solche Goldgräber gerade versuchen, CBD als NEM für viel Geld zu verkaufen. Da wird gerade viel Schindluder getrieben, was leider den edlen Einsatz in der Medizin zunichte macht.“ Auch wenn sich weiter hartnäckig die Ansicht halte, dass es einen Graubereich gebe oder CBD vollkommen frei verkäuflich sei: Die Rechtslage sei eindeutig, sagt Fischer.

Als Arzneimittel ist CBD verkehrsfähig – steht aber in der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) und darf deshalb nur auf Rezept abgegeben werden. Außerhalb der rein medizinischen Anwendung ist die Rechtslage Fischer zufolge aber ebenso eindeutig: „CBD ist als NEM nicht verkehrsfähig – da gibt es keine zwei Meinungen“, so der Inhaber der Inhaber dreier Apotheken in Bochum und Oberhausen. „Deshalb wundert es mich, dass dieser Markt noch so funktioniert und die Behörden da nichts machen.“

Entscheidend ist in diesem Zusammenhang die europäische Novel-Food-Verordnung. Anfang 2019 hatte die EU-Kommission Cannabinoide in den Katalog der Novel Foods aufgenommen, da auf europäischen Märkten immer mehr Produkte auftauchten, die CBD enthalten. Ein Erzeugnis unterliegt dann der Novel-Food-Verordnung und braucht eine gesonderte Zulassung, wenn es vor dem Stichtag 15. Mai 1997 nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr in der EU verwendet wurde. Eine Zulassung von CBD als neuartiges Lebensmittel ist aber bisher nicht erfolgt. Das Bundesinstitut für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), das hierzulande für die Umsetzung der Novel-Food-Verordnung überwacht, stuft derartige Produkte deshalb als nicht verkehrsfähig ein.

„Jetzt berufen sich viele darauf, dass Cannabisprodukte ja schon uralt sind und schon seit Jahrtausenden als Nahrungsmittel verwendet wurden“, erklärt Fischer. Diese Diskussion kann man natürlich führen – an der rechtlichen Beurteilung der Situation lasse sich seit der formellen Einstufung allerdings nichts mehr interpretieren. Mehrere große Drogerieketten hätten deshalb bereits reagiert und CBD-Produkte aus dem Sortiment genommen. Einige Großhändler hingegen hätten es bisher entweder schlicht verschlafen, Cannabisprodukte in ihr Sortiment aufzunehmen, oder dies aus Angst vor Stigmatisierung unterlassen.

Und all die CBD-Produkte, die man im Internet kaufen kann? Von denen sei keines zulässig, erklärt Fischer und geht noch weiter: „Es gibt Studien, die belegen, dass viele dieser CBD-NEM kaum CBD enthalten oder massive Abweichungen vom deklarierten Gehalt haben. Wenn sie ein Cannabinoid-Produkt in der Apotheke abgeben, darf es maximal eine Abweichung von 10 Prozent vorweisen, bei NEM gibt es dahingehend überhaupt keine Auflagen.“

Dass die Behörden geltendes Recht bisher nur unzureichend umsetzen, sieht Fischer vor allem jener Unsicherheit geschuldet. „Eigentlich müssten die Behörden durchgreifen“, sagt er. Doch die Entwicklungen der vergangenen zweieinhalb Jahre hätten viel regulatorischen Wildwuchs mit sich gebracht, sodass sich erste eine einheitliche Linie etablieren müsse. „Noch ist es vogelwild, aber Stück für Stück entstehen Standards. Auch dafür haben wir den Verband gegründet.“

Den VCA gibt es erst seit dem Sommer, Fischer bildet zusammen mit seiner Hannoveraner Kollegin Astrid Staffeldt den geschäftsführenden Vorstand. Das Wachstum kann sich bisher sehen lassen: Aus sieben Gründungsmitgliedern wurden in den vergangenen fünf Monaten 22 Apotheken und 14 Fördermitglieder. Auch für Apotheken, die nicht Mitglied sind, will der VCA ein fachkundiger Ansprechpartner zum Thema Cannabis sein – beispielsweise beim Thema freiverkäufliche CBD-NEM: „Wenn man eine Apotheke betreibt, sollte man den Trend nur auf medizinischer und wissenschaftlicher Seite mitgehen – und nicht auf der rein monetären Seite“, rät Fischer seinen Kollegen.

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