ApoRetrO – der satirische Wochenrückblick

Hier legt ein Fax die Apotheke lahm

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Berlin -

Das Fax gehört zur Apotheke wie der HV-Tisch, die Rezeptur oder der verblasste Geruch nach Baldrian aus vergangenen Zeiten. Aber jetzt kommt‘s: IT-Experten haben gezeigt, dass man über das Lieblingsgerät vieler Pharmazeuten ganze Betriebe lahm legen kann. In Hamburg musste eine Apotheke wegen der Cyberattacke aus dem Papierschacht schon klein beigeben.

Es fing ganz harmlos an. Erst piepste das Fax, dann schnurrte es sanft, dann druckte es die erste Seite aus. Als nach zehn weiteren immer noch nicht Schluss war, rollte die PKA auf ihrem Stuhl zum Schreibtisch hinüber. Heute schien das Heim gleich mehrere Ärzte zu Besuch haben. Aber dann entdeckte sie auf dem Papier anstelle von gescannten Rezepten lauter unbekannte Schriftzeichen. Komisch, musste sich irgendjemand aus dem Ausland verwählt haben. Die Zettel warf sie in den Papierkorb.

Mittags kam endlich der Techniker, das Team war da schon der Verzweiflung nahe. Das Fax lief seit Stunden, wie wahnsinnig druckte das Gerät, immer schneller spuckte es sinnlos bekritzelte Seiten aus. Stoppen ließ es sich nicht. Mehrere Waschkörbe hatten die Mitarbeiter schon zur Mülltonne gebracht, aber nun war kein Durchkommen mehr. Das ganze Backoffice war mittlerweile mit Papier vollgestopft, keiner kam mehr von vorne nach hinten und umgekehrt. Gegen 14 Uhr wurde die Offizin geräumt, denn mittlerweile stapelten sich Papiertürme auch vor und hinter dem HV-Tisch.

Auf der ersten Seite, die das Team nach langem Suchen an der Eingangstür entdeckte, stand in großen Buchstaben: V-A-L-S-A-R-T-A-N. Scharfsinnig schlussfolgerte die herbeigerufene Polizei, dass es sich doch nicht um einen Bedienfehler der seit Stunden völlig aufgelösten PKA handelte. Nein, das hier war etwas anderes, nämlich eine Cyberattacke. Die Rache aus Fernost für den kruden Umgang der Europäer mit den heimischen Wirkstoffherstellern.

Sie glauben, das geht nicht? Das Fax ist – anders als E-Mail, Internet & Co. – noch sicher? Weit gefehlt. Auf der Sicherheitskonferenz Def Con 26 in Las Vegas stellte die israelische Sicherheitsfirma Check Point eine Fax-Attacke (Faxploit) vor, die es in sich hat: Damit lassen sich in Apotheken sensible Patientendaten ausspähen – im Speicher des Netzwerkdruckers, aber auch im angekoppelten Computersystem. Laut IT-Spezialist Marc-Andre Schneider lassen sich sensible Kunden-/Patientendaten so leicht erbeuten. Er empfiehlt Unternehmen mit sensiblen Daten dringend zu handeln.

Was Apotheken auch noch lahm legen kann, ist die eigene Aufsicht. In Dresden wurde ein Kollege kurzerhand bei der Staatsanwaltschaft angezeigt, weil er Defekturen für Patienten von Heilpraktikern herstellt. Heilpraktiker ist nicht gleich Arzt, befanden die Kontrolleure. Ohne Arzt keine Verordnung, und ohne häufige Verordnung keine Defektur. Sondern unerlaubtes Inverkehrbringen nichtzugelassener Arzneimittel. Womit wir auch gleich im Strafrecht wären. Der Anwalt des Apothekers will nun die Richter überzeugen, dass im Sinne der Versorgung die Vorgaben weit auszulegen sind.

Auch abseits dieses speziellen Falls steht die Alternativmedizin unter Druck. Die ehemalige Familienministerin Kristina Schröder hat sich in der „Welt“ als Homöopathiekritikerin geoutet. Der wohl bekannteste Skeptiker, Professor Dr. Edzard Ernst, appellierte in der Süddeutschen Zeitung an die Apotheker, aus ethischen Gründen Homöopathika aus den Apotheken zu verbannen.

Tatsächlich gibt es erste Kollegen, die dem Aufruf folgen: Die Weilheimer Apothekerin Iris Hundertmark hat mit sofortiger Wirkung ihr Regal mit homöopathischen Mitteln geräumt. Sie könne es nicht länger mit ihrem Gewissen vereinbaren, Globuli zu verkaufen, sagt sie.

Katrin Kraus von der Einhorn-Apotheke im niedersächsischen Bockenem hält dagegen: Sie will weder Gegner noch Befürworter „bekehren“, sondern sieht – im Rahmen fester Grenzen – die Homöopathie als sinnvolle Ergänzung der Schulmedizin. Auch wenn es keine klinischen Studien zur Wirksamkeit gebe: Positive Rückmeldungen der Kunden zeigten deutlich, dass Homöopathie helfe. Das Therapiefeld kategorisch abzulehnen, sei falsch, sagt sie.

Ebenfalls angezählt durch eine öffentliche Debatte ist die Branche der Reimporteure. Obwohl es in den vergangenen Jahren immer mal wieder Fälschungen in die Lieferkette geschafft hatten, ist mit Lunapharm eine neue Diskussion um Sinn und Unsinn des Parallelhandels entfacht. Während der Landtag in Brandenburg von der zuständigen Aufsicht wissen will, wie es soweit kommen konnte, mehren sich Stimmen zur Abschaffung der Importquote. Es gibt eine Petition dafür und eine dagegen, passieren wird am Ende wahrscheinlich mal wieder nichts.

Auch die Homöopathie trotzt den Angriffen, das Geschäft hat sich zuletzt sogar wieder erholt, wie Zahlen von Iqvia zeigen. Ein weiteres Ergebnis der Marktforscher: Der Rx-Versandhandel tritt auch zwei Jahre nach Legalisierung der EU-Boni auf der Stelle. Dank boomenden OTC-Geschäfts legen die Versender aber trotzdem deutlich zu. DocMorris und Shop-Apotheke glänzen mit Wachstumsstories. Nur die Zahl unter dem Strich sollte man als Anleger lieber nicht lesen.

Und das, obwohl die Versender noch nicht einmal am regulären Notdienst teilnehmen. Apotheker Michael Mantell aus Dortmund hat seine Kunden gerade mit einem frechen Facebook-Post aufgerüttelt. „Die Stifts-Apotheke hat heute ab 9 Uhr bis 9 Uhr Montag Notdienst und sorgt auch an einem Sonntag für eine wohnortnahe, unverzügliche, sichere Arzneimittelversorgung“, schrieb er. „Eine Versandapotheke bietet diesen Service nicht, aber an solchen Tagen sind wir auch für die Online-Smart-Shopper selbstverständlich dienstbereit.“

Ein Fall für den Notdienst ist auch die Pille danach – sofern es sich um einen echten Notfall handelt. PTA Angie Heinen sorgt sich um den sorglosen Umgang vieler Frauen mit EllaOne & Co. Regelmäßig erlebt sie am HV-Tisch, dass vor allem junge Kundinnen die mittlerweile rezeptfreien Präparate als Verhütungsmittel einsetzen. Einmal sei sogar ein Rezept über fünf Packungen vorgelegt worden – wegen eines längeren Auslandaufenthaltes. Als sie spürte, dass die Situation eskalieren könnte, holte sie ihren Chef dazu. Der stärkte ihr den Rücken und verweigerte die Abgabe.

Manchmal ist es auch kein ethischer Grund, warum Apotheker einen Kundenwunsch nicht erfüllen. Manchmal fehlen Präparate einfach. In naher Zukunft könnte – neben zahlreichen anderen Medikamenten – Ibuprofen verstärkt betroffen sein. Oligopol und so. Und Aspirin complex. Bayer, seinerseits derzeit durch den Fall Monsanto schwer gezeichnet, hat irgendwelche planmäßigen Probleme mit der Herstellung in Bitterfeld. Das Erkältungspräparat wird in der kommenden Saison wohl ausfallen, jedenfalls wurde die Winterbevorratung abgesagt. Die Konkurrenz dürfte das freuen.

Und zum Schluss noch Valsartan. Nachdem Mitte Juli zahlreiche Präparate zurückgerufen wurden, bei denen Wirkstoff von Zhejiang Huahai verarbeitet worden war, folgte nun ein weiterer Hersteller: Aurobindo hatte für einen kleinen Teil seiner Produktion auf die Substanz des Lieferanten Zhejiang Tianyu zurückgegriffen, der ebenfalls – wenn auch in deutlich geringeren Mengen – mit N-Nitrosodimethylamin (NDMA) verunreinigt war. In den USA hat es auch der indische Lieferant Hetero auf die Blacklist geschafft. In der Hoffnung, dass die kommende Woche ohne weitere Fälle abläuft. Ein schönes Wochenende!

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