Antibiotika-Resistenzen

Killer-Keime: Die Optionen schwinden

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Berlin -

Antibiotika als stumpfes Schwert: Pro Jahr werden in den USA zwei Millionen Infektionen mit resistenten Keimen verzeichnet. 230.000 davon führen zum Tod. Vor allem gramnegative Erreger sind problematisch, da sie teilweise gegen fast alle verfügbaren Antibiotika resistent sind. Manche Experten sprechen gar von einer „post-antibiotischen Ära“.

Drei Keime sind besonders gefährlich: Clostridium difficile, Carbapenem-resistente Enterobacteriaceae und resistente Varianten von Neisseria gonorrhoeae. Hier wurde die Bedrohung für die Bevölkerung durch die Centers of Disease Control and Prevention (CDC) als „akut“ eingestuft. Im „Antibiotic Resistance Threats Report 2013“ forderten die Experten sofortiges und aggressives Handeln. Passiert ist seitdem nichts.

Clostridium difficile kann lebensbedrohliche Durchfälle auslösen und tritt oft nach Krankenhausaufenthalten oder einer Therapie mit Antibiotika auf. Vor allem Wirkstoffe mit starkem Effekt auf die natürliche Darmflora wie etwa Clindamycin sowie Cephalosporine oder Chinolone begünstigen eine Besiedlung des Darms mit dem Erreger.

Der grampositive Keim ist generell gegen viele Antibiotika resistent. Seit 2000 sind auch Vertreter bekannt, gegen die Fluorchinolone nicht mehr helfen. In den USA verzeichnete man im Jahr 2013 rund 250.000 Infektionen, wovon 14.000 zum Tode führten. Derzeit werden vermehrt Studien durchgeführt, die eine Stuhltransplantation als alternative Therapieoption untersuchen. Die offiziell empfohlene Therapie sieht eine Behandlung mit Metronidazol beziehungsweise Vancomycin vor.

Carbapenem-resistente Enterobacteriaceae (CRE), vor allem Klebsiella und Escherichia coli, enthalten sogenannte New-Delhi-Metalloproteinasen, die sie resistent gegenüber fast allen Antibiotika machen. Diese Problemkeime führten in den USA 2013 zu 9300 Infektionen, wovon 610 tödlich endeten. Die Hälfte aller Patienten, die eine Sepsis durch CRE erleidet, stirbt. Kürzlich wurde der Fall einer Seniorin bekannt, die nach einer Infektion des Oberschenkelknochens mit Klebsiella auf kein einziges der verfügbaren Antibiotika ansprach. Die Frau verstarb schlussendlich.

Neisseria gonorrhoeae löst die sexuell-übertragbare Gonorrhoe, umgangssprachlich „Tripper“, aus. Infektionen mit diesem gramnegativen Bakterium rangieren in den USA auf Platz 2 der häufigsten meldepflichtigen Infektionen. Mehr Fälle wurden nur für Chlamydia trachomatis registriert. In Deutschland besteht derzeit keine Meldepflicht für Tripper oder Chlamydien-Infektionen.

Neisseria ist immer häufiger resistent gegen die Standardtherapeutika Cefixim, Ceftriaxon, Azithromycin und Tetrazyklin. Man schätzt die Inzidenz der Gonokokken-Infektionen in den USA auf 820.000 Fälle pro Jahr. Davon sind in etwa 246.000 Fällen die Erreger resistent gegen mindestens eines dieser Antibiotika. Daher empfehlen sowohl deutsche Leitlinien als auch das CDC als Erstbehandlung eine Kombination aus einer Ceftriaxon-Injektion und oralem Azithromycin oder Doxycyclin.

In der Regel existieren einige wenige Bakterien innerhalb einer Population, die aufgrund einer Mutation resistent gegen ein bestimmtes Antibiotikum sind. Beim Versuch, die Population mit dem entsprechendem Antibiotikum auszulöschen, werden nur die nicht-resistenten Vertreter getötet, die resistenten Keime verbleiben. Auch die natürliche Flora in der Umgebung der Erreger wird durch das Antibiotikum geschwächt. Die resistenten Keime können sich nun ungehindert vermehren und eine erneute Infektion auslösen. Möglich ist auch eine Übertragung des Resistenzgens via Plasmid auf andere Bakterien.

Die schwierigsten Erreger sind gramnegative Keime, da sie im Laufe der Zeit eine Vielzahl von Resistenzmechanismen entwickelt haben. Solche Infektionen treten vor allem im Zusammenhang mit Krankenhausaufenthalten auf und werden meist ausgelöst von Enterobakterien, Pseudomonas aeruginosa oder Acinetobacter.

In der Regel wird vor Behandlung mit Antibiotika ein Antibiogramm durchgeführt oder das Bakteriengenom auf mögliche Resistenzgene untersucht. Das gibt Aufschluss darüber, welche Antibiotika von vornherein auszuschließen sind, da sie nicht mehr wirken.

Erste Wahl bei Infektionen mit gramnegativen Erregern sind Beta-Laktam-Antibiotika wie Penicillin V oder Amoxicillin. Viele Bakterien haben allerdings Resistenzmechanismen entwickelt: Beta-Laktamasen spalten die Antibiotika und machen den Keim so unempfindlich gegen die Substanzen.

Dann können Kombinationen aus einem Beta-Laktam-Antibiotikum und einem Beta-Laktamase-Hemmer eingesetzt werden, zum Beispiel Amoxicillin mit Clavulansäure. Alternativ werden Cephalosporine mit erweitertem Wirkspektrum versucht. Sollten diese auch keine Effektivität zeigen, bleiben nur noch Carbapeneme wie Imipenem. Sie sind Reservemittel bei Infektionen mit gramnegativen Bakterien.

Einen anderen Wirkmechanismus besitzen Fluorchinolone, darunter Levofloxacin und Ciprofloxacin. Sie sind gegen ein breites Spektrum von Bakterien wirksam, da sie das Enzym Gyrase hemmen und so in die DNA-Replikation der Bakterien eingreifen. Durch die vermehrte Verwendung dieser Substanzklasse entwickeln sich rasant Resistenzen, das Auftreten Fluorchinolon-resistenter Infektionen mit Clostridium difficile steigt. Im vergangenen Jahr erst hat die US-Arzneimittelbehörde FDA eine Warnung herausgegeben, diese Antibiotika nicht leichtfertig zu verschreiben. Insbesondere bei Sinusitis, Bronchitis und unkomplizierten Harnwegsinfekten sei das Nutzen-Risiko-Verhältnis ungünstig: Fluorchinolone können Muskeln, Gelenke und das Nervensystem schädigen. Die am meisten gefürchtete Nebenwirkung ist eine Ruptur der Achillessehne.

Selten alleine verwendet werden Aminoglykoside wie Gentamycin und Streptomycin. Meistens werden sie mit Beta-Laktam-Antibiotika kombiniert und zur Behandlung schwerer Infektionen mit gramnegativen Bakterien eingesetzt. Trotz steigender Resistenzraten sind sie immer noch eine wichtige therapeutische Option. Zu beachten ist allerdings ihr Nebenwirkungsprofil: Sie schädigen Nieren und Ohren.

Obwohl nicht erste Wahl, werden auch Tetracycline und Glycycline aufgrund der Resistenzlage zur Behandlung von Infektionen mit gramnegativen Erregern eingesetzt. Vor allem Tigecyclin wird oft zur Behandlung multiresistenter Keime verwendet. Der Arzneistoff verteilt sich nicht gleichmäßig im Körper, weshalb er oft mit anderen Antibiotika kombiniert wird. Zwar wurden mittlerweile auch gegen Tigecyclin Resistenzen entdeckt, dies ist jedoch momentan sehr selten.

Polymyxine wie etwa Colistin wurden aufgrund ihrer Nebenwirkungen parenteral kaum mehr genutzt. Die steigenden Resistenzen begünstigen allerdings jetzt ihre Renaissance in der systemischen Therapie. Schwierigkeiten bereitet vor allem die Dosierung, da das Antibiotikum stark nephrotoxisch wirkt. Trotzdem bildet es meist die letzte Möglichkeit der Behandlung Carbapenem-resistenter Enterobacteriaceae. Zuletzt hatten Forscher ein neuartiges Gen entdeckt, das Bakterien gegen das Notfall-Antibiotikum Colistin resistent macht.

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