Niedersachsen

Korruptionsverdacht gegen Apotheker und Arzt

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Berlin -

In Niedersachsen sollen sich ein Apotheker und ein Arzt über Jahre hinweg an der Versorgung schwerstkranker Multiple-Sklerose-Patienten mit Arzneimitteln bereichert haben. Wegen des Verdachts der Korruption ermittelt die Staatsanwaltschaft Verden in diesem Fall. Die Betroffenen weisen die Vorwürfe zurück. Nach Informationen des NDR gab es zur Aufklärung bereits Hausdurchsuchungen.

Es geht um einen umstrittenen Beratervertrag, den ein früherer Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) nach NDR-Recherchen mit einem Apotheker abgeschlossen haben soll. Der Mediziner war zu dieser Zeit ebenfalls Geschäftsführer des Vereins Sida. Dieser hat sich nach eigenen Angaben auf die medizinisch-pflegerische Betreuung von Menschen mit neurologischen und infektiologischen Erkrankungen spezialisiert sowie auf die Versorgung Abhängigkeitserkrankter.

Der Arzt soll vom Apotheker über sechs Jahre monatlich mehrere Tausend Euro Honorar erhalten haben. Über die Apotheke wickelte Sida zentral den Einkauf von teuren Arzneimitteln im Wert von bis zu 6000 Euro ab. Insgesamt ging es dabei nach NDR-Angaben um Medikamentenbestellungen im Wert von mehreren Hunderttausend Euro pro Monat und mindestens 2,4 Millionen Euro pro Jahr.

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Verden laufen seit vergangenem Jahr. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft bestätigt die Ermittlungen. Zu Details wollte er aber keine Angaben machen. Absehbar ist derzeit auch nicht, ob und wann es zu einer Anklage kommt. „Das Ermittlungsverfahren wird wegen des Verdachts der Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr geführt“, so der Staatsanwalt.

Im vergangenen Sommer soll es nach NDR-Angaben im Rahmen des Strafverfahrens zu Hausdurchsuchungen bei dem Arzt, dem Apotheker und in den Vereinsräumen gekommen sein. Der Mediziner ist mittlerweile nicht mehr Geschäftsführer des Vereins. Der neue Geschäftsführer wollte sich zum Sachverhalt nicht äußern.

Die MS-Patienten hatten dem Verein in Versorgungsverträgen gestattet, den Einkauf der benötigten Medikamente für sie zu übernehmen. Solche Verträge bestehen heute noch. Das sei zunächst sinnvoll gewesen und in der Absicht geschehen, die Schwerkranken zu entlasten, sagte Sida-Vorstand Elmar Straube gegenüber dem NDR: „Manche MS-Patienten sind als Nebenwirkung der Krankheit sehr vergesslich." Überrascht war Straube nach eigener Aussage allerdings von den Absprachen zwischen dem ehemaligen Sida-Geschäftsführer und der Apotheke: „Dass sich zwischen dem Apotheker und Herrn S. irgendetwas abgespielt hat, das war mir völlig unbekannt.“

Der Apothekerkammer Niedersachsen als Aufsichtsbehörde ist der Fall bekannt. Sie beurteilt laut NDR den zentralen Einkauf von sehr teuren Medikamenten durch einen Verein über eine zentrale Apotheke sehr kritisch: Die Apothekerkammer Niedersachsen als Aufsichtsbehörde sehe die Zuweisung von Mitgliedern eines Vereins an eine bestimmte Apotheke kritisch, heißt es.

„Das ist nicht zulässig und absolut unüblich“, sagt Kammerpräsidentin Magdalene Linz und verweist auf die in Deutschland geltende freie Apothekenwahl der Patienten. Aufgrund der laufenden Ermittlungen kann die Apothekerkammer keine weitere Auskünfte geben.

Kritisch sieht das auch die AOK Niedersachsen. Pressesprecher Carsten Sievers sorgt sich laut NDR-Bericht um die Patientensicherheit: „Man muss sich die Frage stellen nach der Loyalität des Arztes dem Patienten gegenüber, sprich, ob er nur noch von rein medizinischen Erwägungen getrieben wird.“

Der Arzt und der Apotheker bestätigten laut NDR die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, weisen die Korruptionsvorwürfe allerdings zurück. Sie verwiesen auf einen Beratervertrag, den sie miteinander abgeschlossen hätten. Ob dieser Vertrag strafrechtliche Konsequenzen hat, prüft die Zentralstelle für Korruptionsstrafsachen in Verden nun.

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