Kommentar

Explosives Gemisch: Die Politik und der DAT

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Berlin -

Anfang September bettelte das Triumvirat an der ABDA-Spitze bei den Delegierten des Deutschen Apothekertages (DAT) um konstruktive Diskussionen und den Verzicht auf Klagen über die Unvollkommenheit des Apothekenstärkungsgesetzes. Das ungute Bauchgefühl von ABDA-Präsident Friedemann Schmidt könnte von der Realität in Düsseldorf bei weitem in den Schatten gestellt werden. Denn es hat sich politisch etwas zusammengebraut in der jüngsten Zeit, das genügend Sprengstoff beinhaltet, um den DAT und den bisherigen Moderatorenmodus des obersten Apothekers aus den Angeln zu heben, kommentiert Lothar Klein.

Zeitgleich zum Kabinettsbeschluss zum Apothekenstärkungsgesetz im Juli teilte Schmidt in der guten Hoffnung, das leidige Thema damit abgeräumt zu haben, via Berliner Zeitung mit, dass die ABDA den politischen Kampf für das Rx-Versandverbot aufgebe. Es mache keinen Sinn, mit dem Kopf durch die Wand zu wollen. Seitdem ist Einiges geschehen: Pharmaziestudent Benedikt Bühler sammelte gut 400.000 Unterschriften für seine Petition. Mehr noch: Jetzt hat sich der Bundesrat anstelle des Rx-Boni-Verbotes ebenfalls für das Rx-Versandverbot ausgesprochen – zum zweiten Mal seit dem EuGH-Urteil vom 19. Oktober 2016.

Das Länder-Statement dürfte am DAT nicht spurlos vorübergehen: Um jeden Preis wollte die ABDA eine Diskussion über das Rx-Versandverbot verhindern. Der Versuch ist wohl gescheitert. Was aber geschieht, falls ein Adhoc-Antrag zur Rückkehr zum Rx-Versandverbot eine Mehrheit findet? Und wie stellt sich Schmidt zu der Forderung, die er selbst lange Zeit mantramäßig bei jeder Gelegenheit vorgetragen hat? Fragen über Fragen: Ein solches Votum dürfte man getrost auch als Misstrauensvotum gegen die ABDA-Spitze verstehen. Kann ein ABDA-Präsident dann einfach so weitermachen, als wäre nichts geschehen?

Und wie würde Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf ein solches Votum reagieren? Mehrmals hat Spahn die mit der ABDA-Spitze ausgehandelten Kompromisse nachgebessert und auch noch das Rx-Boni-Verbot trotz absehbarer rechtlicher Probleme ins Gesetz geschrieben. Spahn ist der ABDA weit entgegengekommen. Das alles hat Spuren hinterlassen. Zurückziehen kann Spahn sein Gesetz nicht mehr, aber Einfluss auf die weiteren Beratungen nehmen kann er schon.

Mit der EU-Kommission verhandelt Spahn ohnedies über das geplante Rx-Boni-Verbot. Dem Vernehmen nach hat man dort bereits abgewinkt und verlangt andere Lösungen: Das könnte ein Höchstpreismodell sein oder ein Boni-Deckel für alle. Allerdings will man in Brüssel die endgültige Entscheidung der neuen Kommission von Ursula von der Leyen überlassen. Und das wird dauern.

Damit kommen die Zeitpläne für die Beratung des Apothekenstärkungsgesetzes ins Rutschen: Bis zum Jahresende ist das nicht zu schaffen. Und ob die Große Koalition Silvester überlebt, steht in den Sternen. Die Gesundheitspolitiker der Koalition raufen sich die Haare angesichts der chaotischen Lage. Soll man, kann man, darf man mit der Beratung des Apothekenstärkungsgesetzes schon starten? Oder muss man das geplante Rx-Boni-Verbot ausklammern. Die SPD will abwarten, die Union drückt aufs Tempo. Auch sind weitere politische Überraschungen nicht ausgeschlossen.

Um eine so unübersichtliche Gemengelage durchzustehen, benötigen die Akteure bei der ABDA und in der Politik gegenseitiges Vertrauen. Und das ist angeschlagen. Kann Spahn noch auf die Durchsetzungskraft des ABDA-Präsidenten setzen? Und wie steht es um das Vertrauen in Spahns mehrfach zu Protokoll gegebene gute Absichten für die Vor Ort Apotheken? Auch das ist angekratzt.

Spahn wollte den Botendienst lockern und Abgabeautomaten neu definieren. Herausgekommen ist dabei aus Sicht der Apotheker der Versuch, dem Versandhandel den Weg freizuschaufeln. Das hat der Bundesrat zwar vereitelt. Aber können die Apotheker Spahn noch über den Weg trauen – ihm, der auf der BMG-Homepage offen für Versandapotheken werben ließ? Das wurde zwar rasch korrigiert, aber an ein Versehen glauben nicht alle im Apothekenlager.

Man darf also gespannt sein, ob und wie der ABDA-Präsident in seinem politischen Lagebericht die Dinge sieht und einordnet. Flüchtet er sich erneut in philosophische Betrachtungen oder schenkt er den Delegierten dieses Mal reinen Wein ein. Zur Erinnerung: Vor einem Jahr in München schreckte Schmidt die Delegierten erst mit seinem Schlusswort auf: „Wir stehen vor tiefgreifenden Veränderungen. Wir kommen mit unserer klassischen Haltung nicht mehr weiter. Wir stehen vor einer gewaltigen Reform-Agenda. Wir haben ein unglaubliches Maß an Reformbedarf.“ Am Ende müssten die Apotheker „Kröten schlucken“.

Und BAK-Präsident Dr. Andreas Kiefer rutschte der verräterische Satz über die Lippen: „Wir werden am Ende die Aufgabe der Gleichpreisigkeit akzeptieren müssen, das ist nicht ganz einfach.“ Damit haben beide recht behalten. An diesem Punkt steht die ABDA immer noch. Der politische Knoten ist noch nicht gelöst und die Lage unübersichtlicher denn je.

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