Kostenerstattung

Spahn verschont die Homöopathie

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Berlin -

Keine Evidenz, aber auch keine Bedeutung: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will umstrittene Kostenübernahmen für homöopathische Arzneimittel durch die Krankenkassen nicht antasten. Zuletzt hatte es erneut eine Diskussion über diese Zusatzleistung einiger Kassen gegeben.

Beim „Berliner Salon“ des Redaktionsnetzwerks Deutschland verwies Spahn am Dienstagabend darauf, dass die Kassen bei Arzneimittelausgaben von rund 40 Milliarden Euro im Jahr etwa 20 Millionen für Homöopathie zahlten. Darüber könne man emotional diskutieren und dabei vielen vor den Kopf stoßen. Oder man könne sich fragen, ob es das angesichts der gesamten Größenordnung wert sei. Er habe sich entschlossen, es sei „so okay“.

In Frankreich sollen homöopathische Arzneimittel ab 2021 nicht mehr erstattet werden. Auch in Deutschland wird darüber diskutiert. Wer solche Mittel haben wolle, solle sie erhalten, „aber bitte nicht auf Kosten der Solidargemeinschaft“, hatte der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, gesagt. Er verwies auf nicht ausreichende wissenschaftliche Belege für die Wirksamkeit.

Homöopathie gehört nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen. Allerdings erstatten viele Kassen Versicherten Behandlungskosten für Naturheilverfahren, weil es eine Nachfrage gibt. Dies ist auch ein Instrument im Konkurrenzkampf.

In Frankreich sollen homöopathische Arzneimittel bald nicht mehr von den Kassen bezahlt werden. Das wird nun auch in Deutschland diskutiert. Die Erfolgsaussichten für eine solche Entscheidung hierzulande sind aber ungewiss. Neben Ärztechef Gassen hatten sich auch SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach und der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), Josef Hecken, bereits mehrfach gegen eine Erstattung ausgesprochen.

Spahn selbst hatte Anfang des Jahres in einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung gesagt: „Ich verstehe die Bedenken. Wir legen in vielen Bereichen großen Wert auf Evidenz: bei der Zulassung von Arzneimitteln, bei Medizinprodukten oder bei neuen Behandlungsmethoden. Dieser Nutzen kann bei der Homöopathie nicht wissenschaftlich nachgewiesen werden.“ Trotzdem sollten aus seiner Sicht die Kassen ihren Versicherten Homöopathie als zusätzliche Satzungsleistung oder über Wahltarife anbieten können: „Grundsätzlich ist es jedem unbenommen, homöopathische Mittel zu kaufen. Es muss nur sichergestellt sein, dass sie nicht schaden.“

Der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Erwin Rüddel (CDU), kann sich ein Ende der Erstattungsfähigkeit vorstellen. „Es ist schwer vermittelbar, dass Kosten für Homöopathie teilweise übernommen werden, während an anderer Stelle gespart werden muss”, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Seine Parteikollegin Karin Maag hält die Übernahme seitens der Kassen hingegen für „vertretbar”. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion sagte im Deutschlandfunk: „Derjenige, der für sich Homöopathie ablehnt, der kann ohne weiteres eine Kasse finden, die diese Medikamente nicht erstattet.” Zudem verwies Maag auf die geringen Kosten für die Krankenkassen: „Wir reden von 0,03 Prozent der Ausgaben.”

Bundestagsabgeordnete von SPD und FDP sehen das skeptisch. Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Sabine Dittmar, betonte, die Wirksamkeit homöopathischer Mittel sei nicht nachgewiesen. „Ich sehe es deshalb kritisch, dass Krankenkassen und damit die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler diese Mittel finanzieren.” Die Freidemokratin Christine Aschenberg-Dugnus ergänzte: „Jeder, der Homöopathie befürwortet, soll sie auch weiter erwerben können – aber auf Selbstzahlerbasis.”

Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) sprach sich gegen einen Ausstieg der Krankenkassen bei homöopathischen Leistungen aus. „Baden-Württemberg ist ein traditions- und erfolgreicher, anerkannter Standort für hochwertige Naturheilkunde-Verfahren und homöopathische Medizin.“ Ein breites Therapieangebot, das auch Naturheilkunde und Komplementärmedizin umfasst, sei den Menschen im Land wichtig. „Und deshalb müssen diese Leistungen auch weiterhin von den gesetzlichen Krankenkassen vergütet werden dürfen.“

Der AfD-Parlamentarier Axel Gehrke hält ein Verbot wie in Frankreich hingegen für unnötig: „Nicht die Kostenübernahme von homöopathischen Mitteln belastet die Versicherten, sondern die überbordende Bürokratie im deutschen Gesundheitssystem.” Auch Harald Weinberg von der Linken hält die Debatte für überzogen. Es gebe wichtigere Probleme. Der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) wies die Forderung Gassens ausdrücklich zurück. Die Vorsitzende Michaela Geiger betonte: „Ein Verbot der Erstattung homöopathischer Leistungen wäre ein Schritt hin zu einer Monokultur in der Medizin.”

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