Nachtdienstgedanken

„Sie haben doch genug davon“

, Uhr
Berlin -

Apotheken haben, ­ entgegen der Meinung vieler Kunden, ­ in der Regel ein gut sortiertes Warenlager. Grade zum Notdienst werden alle Vorräte noch einmal überprüft und aufgestockt. Sarah Sonntags Schubladen und Regale sind bereits gefüllt: Der Notdienst kann beginnen.

„Meinst du wir haben alles da?“, fragt Max nervös. Schließlich seien viele Leute durch das wechselhafte Wetter immer noch erkältet. „Ja und auch lästige Magen-Darm-Viren schwirren durch die Luft“, ergänzt Sarah. Doch sie ist guter Dinge. Ihre Kollegin hat bereits alles gecheckt und genug nachbestellt. Also sollte der Versorgung nichts im Wege stehen. Kurze Zeit später geht es los: Vor der Klappe tummeln sich zahlreiche Kunden. Sarah hilft jedem einzelnen von ihnen: Antibiotika stehen heute besonders hoch im Kurs. Trotz der hohen Nachfrage, kann sie alle Rezepte beliefern.

Kurz nach Mitternacht klingelt es Sturm: Frau Decker, eine Stammkundin steht vor der Tür und gestikuliert wild umher. „Was ist denn nun los“, denkt sich Sarah und trottet zur Klappe. „Hallo Frau Decker! Geht es Ihnen nicht gut“, fragt sie erstaunt. Die Kundin ist ganz aufgeregt und winkt mit ihrem Insulin-Pen vor Sarahs Gesicht. „Ich hab nichts mehr“, sagt sie aufgeregt. „Nun lassen sie mich mal schauen“, entgegnet Sarah ruhig. „Der ist komplett leer! Kein Tröpfchen mehr drin!“, sagt Frau Decker nervös.

„Haben Sie denn keinen Vorrat mehr im Kühlschrank“, fragt Sarah. „Würde ich sonst um diese Uhrzeit hier in der Kälte stehen“, entgegnet die Kundin. Auch wieder wahr, denkt sich Sarah und versucht eine Lösung zu finden. „Sie haben doch genug davon da, kann ich mir keinen ausleihen bis Montag“, fragt die Kundin. „So einfach ist das leider nicht“, versucht Sarah ihr zu erklären. Schließlich gibt es keine einzelnen Insulin-Pens und Sarah müsste eine Packung dafür öffnen. Und ohne Rezept geht auch nichts.

„Sie haben die Dinger doch bestimmt zu Hauf im Kühlschrank. Einer mehr oder weniger fällt doch da nicht auf“, beharrt Frau Decker. Sarah verweist sie an die nicht weit entfernte Notfallpraxis. „Die können ihnen sofort ein Rezept ausstellen“, erklärt sie ihr. Doch Frau Decker bleibt stur. Schließlich würde sie um diese Uhrzeit nicht mehr durch die Gegend fahren für das bisschen Insulin. „Ich verstehe nicht, warum sie mir nicht helfen wollen, sie kennen mich doch!“ „Nun ja, ich darf es trotzdem nicht einfach, so gern ich auch würde“, entgegnet Sarah. Gesetz ist nun mal Gesetz.

Da Frau Decker normalerweise immer rechtzeitig kommt und sie eine gute Stammkundin ist, lenkt Sarah ein. „Ich rufe für sie in der Notfallpraxis an und bestelle das Rezept. Soweit ich weiß, hat ihr Hausarzt heute Dienst. Ich frage ob sie die Karte später einlesen lassen können.“ Frau Decker versteht nicht wie ihr das nun helfen soll. „Ich gebe ihnen dann einen Insulin-Pen aus der verordneten Packung mit. Den Rest bekommen sie dann mit dem Rezept.“ Die Kundin ist sichtlich erleichtert und bedankt sich, während Sarah mit dem Telefon nach hinten verschwindet.

„Es geht alles in Ordnung, ich darf ihnen den Pen mitgeben“, sagt Sarah als sie wieder zur Klappe kommt. „Super! Vielen Dank für ihre Hilfe“, lächelt Frau Decker. „Ich gehe am Montag sofort zum Hausarzt und bringe ihnen das Rezept dann rein.“ Sarah ist froh, dass alles so gut funktioniert hat. Das ist leider nicht immer der Fall. Häufig ist die Kommunikation zwischen Apotheke und Praxis schwierig, aber der diensthabende Arzt ist zum Glück unkompliziert und ebenso patientenorientiert wie Sarah. „Wenn das doch immer der Fall wäre“, sagt Sarah zu Max, der das Dilemma mitbekommen hat. „Glück gehabt, das hätte auch schwieriger werden können“, antwortet er erleichtert.

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