Sommerreise

Neue Apotheke Borkum: Vom Fischladen zur Apotheke

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Berlin -

Immer wieder lassen sich in den ehemaligen Räumen von Apotheken Bäckereien, Restaurants oder Geschäfte nieder. Auf der ostfriesischen Insel Borkum passiert es einmal anders herum. Aus einem Fischladen ist vor wenigen Monaten nach umfangreichen Renovierungs- und Umbaumaßnahmen eine Apotheke entstanden. Ein ambitioniertes Vorhaben. Denn die Neue Apotheke Borkum von Dr. Julie Behr ist die dritte Apotheke auf der Insel, auf der rund 5500 Menschen leben.

„Entweder auf Borkum oder gar nicht“. Behr hat sich seit Langem festgelegt: Sollte sie sich jemals dafür entscheiden, eine eigene Apotheke zu eröffnen, dann muss es diese ostfriesische Insel sein. Seit frühester Kindheit ist sie mit der Insel Borkum verbandelt. Der Bruder ihres Großvaters besaß dort das bei Insulanern bekannte Achilleion-Anwesen, welches nun bereits in dritter Generation von dessen Enkeln erhalten wird. Die Familie treffe sich dort immer noch regelmäßig, berichtet die Apothekerin, die Jahr für Jahr ihren Urlaub auf Borkum verbrachte und viele Freunde dort hat. Ohne eine Verbindung zur Insel brauche auch niemand sein Glück dort zu versuchen, ist sie überzeugt. „Auf Borkum ist es sehr wichtig, einen Bezug zur Insel und ihren Bewohnern zu haben, damit man akzeptiert wird“, weiß Behr. „Die aus Köln“, wollte sie nie sein.

Im Sommer 2015 war es dann endlich so weit. Als sie mit ihrer Familie mal wieder auf Borkum war, entdeckte die Apothekerin einen ehemaligen Fischladen, der gegen die starke Konkurrenz den Kürzeren gezogen hat und nun leer stand. „Vor meinem inneren Auge wurde es sofort eine Apotheke“, berichtet Behr und lacht. Bis ihre Vorstellungen aber Wirklichkeit wurden, vergingen noch anderthalb Jahre.

Neben den Abstimmungsgesprächen mit der netten Vermieterin und den üblichen behördlichen Herausforderungen musste vor allem der Laden komplett umgebaut werden: Neue Fenster und Außentüren wurden eingebaut, eine Feuerschutzdecke eingezogen, Estrich verlegt, Heizung und ein WC-Raum inklusive aller Sanitäranschlüsse installiert. Außerdem wurden auch Elektronik, EDV und Belichtung auf den neusten technischen Stand gebracht. Im Innern sollen ein breites, mit Bildern der Insel hinterleuchtetes Banner und ein Leuchtturm-Aufdruck an der Seitenwand Assoziationen an Borkum und das Meer erwecken.

Von hohen Investitionskosten hat sich Behr nicht verunsichern lassen. Nicht ohne Risiko, wenn man bedenkt, dass die Neue Apotheke Borkum zwei alteingesessene Konkurrenten auf der Insel hat. Die Apothekerin ist jedoch optimistisch, dass sie sich etablieren kann. Die Standort-Analyse, die sie vorab hat anfertigen lassen, habe ergeben, dass eine dritte Apotheke auf Borkum sich durchaus tragen kann. Immerhin verbrachten im vergangenen Jahr knapp 290.000 Touristen ihren Urlaub auf der Insel.

Dennoch müsse sie versuchen, einen eigenen Kundenstamm aus Insulanern aufzubauen, habe der Analyst geraten. Außerdem soll die Apothekerin auf umfangreiche Werbemaßnahmen setzen. „Diese Empfehlungen versuche ich auch, so gut wie möglich umzusetzen“, sagt die 40-Jährige. Ihr Marketing- und Werbekonzept beginnt bereits auf der Fähre ab Emden oder Eemshaven. Dort werden die Inselbesucher auf die Neue Apotheke Borkum aufmerksam gemacht. Auch bei der Ankunft steht der Name der Apotheke an der Informationstafel mit wichtigsten Adressen auf der Insel und einem Inselplan.

Zudem wurden zwei Autos mit einer Werbung der Neuen Apotheke Borkum ausgestattet. Auf einer Insel, wo in weiten Teilen das Autofahren eingeschränkt oder nicht gestattet ist, und der Verkehr daher überschaubar ist, fällt Autowerbung wohl umso stärker auf. Auch werden lokale Printmedien, die sich auf der Insel bei den Besuchern großer Beliebtheit erfreuen, und digitale Kommunikationskanäle genutzt. „Viele Touristen befragen eben auch mal schnell ihren digitalen Freund bei der Suche nach einer Apotheke auf der Insel“, weiß die Pharmazeutin.

Haben die Kunden erst einmal in die Apotheke gefunden, will Behr mit ihrer rheinischen Frohnatur, Freundlichkeit und ausgeprägter Kundenorientierung punkten. Dafür hält sie ein breit gefächertes Sortiment vor, das weder bei Insulanern noch Inselbesuchern oder notdiensthabenden Ärzten kaum Wünsche offen lässt.

Einen Schwerpunkt bildet eine Mutter & Kind-Beratung. Logisch, wenn man bedenkt, dass auf Borkum einige Kliniken angesiedelt sind, die Mutter-Kind-Kuren anbieten. Vom Schnuller über Babywagen, Milchpumpen, selbstgerührten Kräuterrezepturen und Engelwurzbalsam aus der Bahnhof-Apotheke Kempten im Allgäu bis hin zu Stillberatung und einer Kinderspielecke: Die Angebotspalette ist breit. Seit Ostern verleiht die Neue Apotheke Borkum außerdem Rollstühle und Rollatoren. „Wir haben jeweils sechs Stück“, berichtet Behr. Seit Einführung des Angebots seien alle fast durchgängig vermietet.

Mit der bisherigen Entwicklung ist Behr also durchaus zufrieden. „Wir müssen ganz klar noch viel arbeiten und bekannter werden“, sagt sie. „Mir ist aber auch bewusst, dass man nicht sofort von Null auf Hundert gehen kann.“ Es gehe eben Schritt für Schritt aufwärts. Etwa zwei Drittel des Umsatzes würden derzeit mit OTC-Präparaten und ein Drittel mit Rezepten generiert. „Aber es ist eine Steigerung zu erkennen“, sagt die Apothekerin. „Jedes Mal, wenn wir Rezepte an die Abrechnungsstelle schicken, ist der Stapel ein bisschen dicker“.

Viele Kunden würden kommen, um die neue Apotheke zu testen. Vor allem in den ersten Monaten nach der Eröffnung seien viele vorbeigekommen, um zu sehen, was aus dem ehemaligen Fischladen geworden ist. „In der Anfangszeit habe ich sogar Führungen durch die Apotheke angeboten, um den Menschen einen Blick hinter die Kulissen zu ermöglichen und zu zeigen, was eigentlich alles in einer Apotheke gemacht wird“, berichtet Behr.

Das siebenköpfige Team der Apotheke besteht aus Behr, einer weiteren Apothekerin, drei PTA und einer PKA. Auch Behrs Ehemann Andreas ist als Fachmann für EDV, Betriebswirtschaft, Werbung, die Homepage und digitale Kommunikation in der Apotheke tätig. „Ein Mann für alles eben“, schmunzelt die Apothekerin. Obwohl das auf Inseln benötigte Apotheken-Personal oftmals nur mit Mühe und Not für sich zu gewinnen ist, hatte Behr nach eigenen Angaben damit keine Probleme. Eine PTA habe gerade ihre Ausbildung auf dem Festland abgeschlossen und sei froh gewesen, auf die Insel zurückkehren zu können.

Ein Teil der Mitarbeiterinnen sei von den anderen Apotheken auf Borkum zu ihr gewechselt. „Allerdings habe ich niemanden aktiv abgeworben“, versichert die Apothekerin. Manches habe sich auch, wie bei einem Puzzle, einfach gefügt. Mit der Neugründung der Apotheke ergab sich auch die Gelegenheit auf einen Jobwechsel. „Wären die Mitarbeiterinnen mit ihren alten Arbeitsplätzen glücklich gewesen, wäre es ihnen sicher nicht in den Sinn gekommen, zu wechseln“, ist Behr überzeugt.

Obwohl sie seit Monaten auf der Urlaubsinsel lebt, sei sie so selten am Strand gewesen wie nie zuvor. „In diesem Jahr galt meine volle Aufmerksamkeit der Apotheke und meiner Familie, die sich auf der Insel einleben musste“, sagt die Apothekerin. Sie habe lediglich ein paar Mal die Mittagspause mit Freunden, die gerade zu Besuch waren, am Strand verbracht. Das soll sich allerdings ändern, wenn die Neue Apotheke Borkum sich auf der Insel etabliert hat.

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