Großbritannien

Cyber-Attacke legt Krankenhäuser lahm

, Uhr
London -

Eine weltweite Welle von Cyber-Attacken hat Zehntausende Computer von Unternehmen, Behörden und Verbrauchern blockiert. In Großbritannien wurden Krankenhäuser lahmgelegt, in Spanien traf es den Telekom-Konzern Telefónica und in den USA den Versanddienst FedEx. Die Computer wurden von sogenannten Erpressungstrojanern befallen, die sie verschlüsseln und Lösegeld verlangen. Dabei wurde Experten zufolge eine Sicherheitslücke ausgenutzt, die ursprünglich vom US-Abhördienst NSA entdeckt worden war, aber vor einigen Monaten von Hackern öffentlich gemacht wurde.

Es sei eindeutig eine weltweite Attacke mit Meldungen über befallene Computer aus diversen europäischen Ländern, Russland und auch Asien, sagte Helge Husemann von der IT-Sicherheitsfirma Malwarebytes. Der russische Antiviren-Spezialist Kaspersky Lab zählte mehr als 45.000 Angriffe in 74 Ländern, mit einem Schwerpunkt auf Russland.

In Großbritannien waren Krankenhäuser unter anderem in London, Blackpool, Hertfordshire und Derbyshire lahmgelegt, wie der staatliche Gesundheitsdienst NHS mitteilte. Insgesamt gehe es um 16 NHS-Einrichtungen. Computer seien zum Teil vorsorglich heruntergefahren worden, um Schäden zu vermeiden. Patienten wurden gebeten, nur in dringenden Fällen in Notaufnahmen zu kommen, berichtete die britische Nachrichtenagentur PA.

Die britische Patientenvereinigung (Patients Association) kritisierte, der NHS habe aus früheren Cyber-Attacken nicht gelernt. Verantwortlich für den Angriff seien Kriminelle, aber der NHS habe nicht genug getan, um seine zentralisierten IT-Systeme zu schützen. Im vergangenen Jahr waren unter anderem zwei Krankenhäuser in Deutschland von Erpressungstrojanern betroffen gewesen.

Großbritanniens Premierministerin Theresa May sagte, die Attacken seien nicht gezielt gegen den NHS gerichtet gewesen, sondern er sei bei einem internationalen Angriff in Mitleidenschaft gezogen worden.

In Schweden waren 70 Computer der Gemeinde Timrå betroffen, hieß es auf der Webseite der Verwaltung. Kurz vor 15 Uhr seien die Bildschirme der Mitarbeiter zuerst blau und dann schwarz geworden. Als sie die Rechner neu starteten, hätten sie die Meldung bekommen, dass die Daten verschlüsselt seien und sie für die Freigabe bezahlen müssten.

Der Telekom-Konzern Portugal Telecom (PT) riet den Mitarbeitern, alle Windows-Rechner herunterzufahren. Die PT-Homepage war am Abend nicht abrufbar. Man sei von Hackern attackiert worden, die Lösegeld gefordert hätten, bestätigte ein Firmensprecher. Zahlreiche Kunden der Bank Millennium BCP hatten am Freitag lange keinen Zugriff auf ihre Online-Konten. Das Geldhaus teilte mit, man sei nicht attackiert worden, habe aber vor dem Hintergrund der Cyberattacke vorbeugende technische Vorkehrungen ergriffen. Die Situation sei inzwischen wieder normal.

FedEx entschuldigte sich bei Kunden für Ausfälle durch den Angriff. Die spanische Telefónica bestätigte einen „Cybersicherheits-Vorfall“. Nach Medienberichten sahen am Freitag einige Mitarbeiter auf ihren Computern die für Erpressungstrojaner typische Lösegeldforderung. Die Währung der Wahl war – wie so oft in solchen Fällen – das anonyme Online-Geld Bitcoin. Auf angeblichen Screenshots aus Großbritannien hieß es, sollte der geforderte Betrag nicht innerhalb von sieben Tagen bezahlt werden, würden alle Daten gelöscht.

Erpressungstrojaner werden von IT-Sicherheitsexperten als immer größeres Problem gesehen. Die Computer werden befallen, wenn zum Beispiel ein Nutzer einen fingierten Link in einer E-Mail anklickt. Klassische Antiviren-Software ist oft machtlos. Zugleich können die Angreifer mit dem Lösegeld, das viele Nutzer zahlen, weitere Attacken finanzieren. Meist werden Privatleute Opfer der Erpressungssoftware. Im vergangenen Jahr traf es zum Beispiel aber auch deutsche Gemeindeverwaltungen.

Die Waffe der Angreifer war Experten zufolge die Schadsoftware „Wanna Decryptor“, auch bekannt als „Wanna Cry“. Sie missbraucht eine einst von der NSA ausgenutzte Sicherheitslücke. Nachdem unbekannte Hacker im vergangenen Jahr gestohlene technische Informationen der NSA dazu veröffentlicht hatten, wurden die Schwachstelle eigentlich von Microsoft gestopft. Aber nicht alle Computer wurden auf den neuesten Stand gebracht – und das rächte sich jetzt unter anderem im britischen Gesundheitssystem.

„Alle, die mit kritischen Infrastrukturen zu tun haben, sollten dringen prüfen, ob ihre Systeme auf dem aktuellen Stand sind“, betonte Husemann von Malwarebytes. Microsoft fügte am Freitag Erkennung und Schutz gegen die neue Variante der Erpressungssoftware hinzu.

Die NSA-Daten waren von einer Gruppe mit dem Namen „Shadow Brokers“ veröffentlicht worden. In westlichen IT-Sicherheitskreisen wurden dahinter Hacker mit Verbindungen zu russischen Geheimdienst vermutet. Nach Berichten im russischen Internet waren von der Attacke am Freitag auch Computer des Innenministeriums des Landes betroffen.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

APOTHEKE ADHOC Debatte