Skonto-Prozess

Kohl will Galgenfrist nutzen

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Berlin -

Die Apotheken bekommen eine „Galgenfrist“: Erst am 5. Oktober will der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden, ob Rabatte über 3,15 Prozent zulässig sind oder nicht. Vor den weitreichenden Folgen eines solchen Urteils hatten Jörg Geller und Dominik Klahn, Geschäftsführer von Kohlpharma und Avie, schon vor Monaten gewarnt. Sie hoffen, dass der späte Verkündungstermin für eine gesetzliche Regelung genutzt werden kann.

Geller und Klahn hoffen, dass der BGH die Brisanz des Themas durchschaut hat und im Sinne der Apotheken entscheiden wird. „Selbst im Falle einer Entscheidung zugunsten der Wettbewerbszentrale sehen wir in dem verspäteten Verkündigungstermin den Vorteil, dass dieser nach der Bundestagswahl liegt und die Politik somit wieder handlungsfähig ist.“

Laut Geller gibt es dringenden Handlungsbedarf, wenn das Urteil gegen die Apotheken ausgeht: „Die Politik müsste die Gesetzeslage, die nach der heutigen Verhandlung auch vom BGH als interpretationsfähig angesehen wird, in dem Sinne klarstellen, dass Skonti explizit zusätzlich zur Maximalspanne des Großhandels gewährt werden dürfen.“

Dafür werde sich auch die Kohl-Gruppe massiv einsetzen – zumal auch zu berücksichtigen sei, dass ausländische Versandhändler wiederum nicht betroffen wären. „Sie dürften weiterhin Skonti erhalten. Die Disparität zwischen den ausländischen Versandhändlern und der deutschen Offizinapotheke würde damit zuungunsten der Offizinapotheke noch größer. Das kann im Sinne einer flächendeckenden Versorgung kaum politisch gewollt sein.“

Laut Geller und Klahn würde eine Deckelung der Rabatte vielen Apotheken die wirtschaftliche Grundlage entziehen. Klahn rechnete dazu schon im Januar vor: „Ihren Ertrag erwirtschaften die Apotheken im Durchschnitt zu 80 Prozent mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Wenn hier die Einkaufskonditionen – je nach Vereinbarung – um beispielsweise 2 Prozent Skonto gekürzt werden, schlägt das mit 30 bis 50 Prozent direkt auf das Betriebsergebnis durch.“

Im Einkauf liege der „Löwenanteil“ des Betriebsergebnisses einer Apotheke – ob man das politisch gutheiße oder nicht, so Klahn und Geller. „Mit derartigen Einschnitten beim Betriebsergebnis lassen sich zahlreiche Apotheken künftig nicht mehr wirtschaftlich betreiben und werden schließen müssen.“ Anders als beim EuGH-Urteil zu Rx-Boni würden die Folgen nicht allmählich eintreten, sondern sehr viel schneller, mit viel direkterer und stärkerer Wirkung auf das Betriebsergebnis der Apotheken.

Dem Apotheker müssten auch weiterhin die kaufmännischen Grundlagen und Instrumente zur Verfügung stehen. „Marktübliche Skonti für verabredete Zahlungsziele beteiligen die Apotheken anteilig an den Effizienzvorteilen, die deren Lieferanten durch Zinsersparnis, geringeres Vorfinanzierungsvolumen oder erhöhte Liquidität gewinnen und für eine dauerhaft stabile Arzneimittelversorgung einsetzen.“

Für den Reimporteur geht es auch um das eigene Geschäftsmodell: Im August 2016 verbot das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken das Partnerprogramm „Clever+“: Mit verdeckten Preisnachlässen und einem unechten Skonto gingen die Konditionen über den variablen Teil des Großhandelszuschlags hinaus, so die Richter. Im Februar untersagte auch das OLG München das Bonusprogramm des Konkurrenten Eurim. Kohl selbst sah sich nach der eigenen Niederlage veranlasst, gegen das 5-prozentige Skonto des Konkurrenten Haematopharm vorzugehen.

Im Verfahren vor dem BGH geht es um die Frage, ob Skonti den Rabatten zuzurechnen und damit gesetzlich begrenzt sind. Die Wettbewerbszentrale hatte den Großhändler AEP im Dezember 2014 abgemahnt und Mitte März 2015 verklagt. AEP gewährt Apotheken 3 Prozent Rabatt und 2,5 Prozent Skonto. Das Landgericht Aschaffenburg erlaubte das Modell, das OLG Bamberg gab der Klage statt.

Ironie der Geschichte: Die Wettbewerbszentrale hatte auch für die Preisbindung auf Ebene der Apothekenverkaufspreise gekämpft. Weil sie das Verfahren gegen die Deutsche Parkinsonvereinigung (DPV) vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verloren hat, wären die Apotheken bei einem für sie negativen BGH-Urteil in der Rabattfalle gefangen.

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