Groko-Kabinett

Spahn soll Gesundheitsminister werden

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Berlin -

Geben die SPD-Mitglieder grünes Licht für eine Neuauflage der großen Koalition, wird Jens Spahn (CDU) Bundesgesundheitsminister. Die lange favorisierte Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz (CDU) erhält einen anderen Posten. Der bisherige Amtsinhaber Hermann Gröhe (CDU) könnte Chef des Kanzleramts werden.

Über die Entscheidung der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel berichtete als erste die Bild am Sonntag. Offiziell will die Kanzlerin den Führungsgremien ihrer Partei die Liste für die Ministerposten der CDU an diesem Sonntag vorlegen. Dann tagen nacheinander das Präsidium und der Parteivorstand. Mit Spahn holt Merkel einen ihrer profiliertesten konservativen Kritiker ins Kabinett. Annette Widmann-Mauz, über Wochen für den Posten der Gesundheitsministerin favorisiert, soll Staatsministerin für Integration im Kanzleramt werden. Die Baden-Württembergerin ist seit 2009 parlamentarische Staatssekretärin im Gesundheitsministerium und gilt als Merkel-Anhängerin.

Spahn, derzeit Parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium, ist Experte: Von 2009 bis 2015 war er gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion. Gemeinsam mit SPD-Politiker Karl Lauterbach handelte er 2013 für den Koalitionsvertrag das Kapitel Gesundheit als Grundlage für die Arbeit von Minister Hermann Gröhe (CDU) aus. Der Westfale sitzt seit 2002 als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Steinfurt I – Borken I im Parlament.

Im Apotheken-Wahlcheck 2017 des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe (AVWL) positionierte sich Spahn bei der Frage zu einem Rx-Versandverbot eher vorsichtig: „Hier muss der Politik ein schwieriger Spagat gelingen: Einerseits gehört der Versandhandel zum Wettbewerb im Apothekenmarkt und ist für manche eine willkommene Alternative geworden“, schrieb er. „Andererseits brauchen wir auch ein verlässliches und stabiles Apothekennetz vor Ort, weil dies Sicherheit in der Versorgung garantiert. Zur Wahrheit gehört, dass sich Marktmodelle wandeln – Politik muss dafür sorgen, dass so etwas behutsam geschieht.“

Die Vor-Ort-Apotheken stünden für Ansprechbarkeit und Kompetenz. „Sie sind als Ansprechpartner vor Ort für Patientinnen und Patienten sehr wichtig“, so Spahn, Für den jetzigen Staatssekretär im Bundesfinanzministerium spielen Apotheken in der Gesundheitsversorgung eine „große Rolle“. Viele Patienten griffen beispielsweise bei einer Erkältung auf den Erfahrungsschatz von Apothekern zurück. „Das Verhältnis von Apothekern zu den Kunden ist wichtig und in der Regel von Vertrauen geprägt.“

Spahn wurde zuletzt auch als möglicher Kandidat für die Ressorts Verteidigung oder Bildung genannt. Die Personalentscheidung für den 37-Jährigen gilt als Zeichen dafür, dass Merkel vor dem Parteitag an diesem Montag ihren Widersachern entgegenkommen will. Die 1001 Delegierten sollen dem Koalitionsvertrag mit der SPD zustimmen und Saar-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer als Nachfolgerin von Peter Tauber zur Generalsekretärin wählen.

Gut Freund mit Kanzlerin Angela Merkel ist Spahn nicht: Auf dem CDU-Parteitag in Essen im vergangenen Dezember gelang es ihm beim heiklen Thema doppelte Staatsbürgerschaft eine Mehrheit in der Union gegen die Parteivorsitzende zu mobilisieren. Bei der Abstimmung im Bundestag votierte der offen schwul lebende Spahn – anders als Merkel – für die Ehe für alle. Gemeinsam mit Christian Lindner (FDP) und Alexander Dobrindt (CSU) soll er Pläne geschmiedet haben, wie das Ende der Kanzlerschaft von Merkel eingeleitet und die Union wieder konservativer gemacht werden kann. Statt nach den langen Tagen mit der SPD den von ihm mitverhandelten Koalitionsvertrag zu erklären und verteidigen, reiste er tags drauf zum Wiener Opernball und suchte die Nähe zu Österreichs jungkonservativem Kanzler Sebastian Kurz, der so etwas wie ein politisches Gegenbild zu Merkel ist und für einen harten Flüchtlingskurs steht.

Einigermaßen spektakuläre Einlassungen und Vorstöße mit Überraschungseffekt gehören zu seiner Karriere dazu. Als 2008 die damalige große Koalition eine Rentenerhöhung beschlossen hatte, wertete der Jungpolitiker das als „Wahlgeschenk an die Rentner“ und löste eine Empörungswelle aus. Ob er ein Verbot von Schönheitsoperationen bei Jugendlichen forderte oder die Trennung in gesetzliche und private Krankenversicherung als „nicht mehr zeitgemäß“ kritisierte – Aufmerksamkeit war ihm gewiss.

Spahn verbindet politisches Sendungsbewusstsein mit der Bereitschaft zu markanten Positionen und zum Einarbeiten ins gesetzestechnische Detail. Die weiteren Profilierungschancen an der Spitze des Gesundheitsressorts gelten jedoch als begrenzt. Der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen erklärte, Merkel trage Spahn das Ministerium nur an, um ihn aufs Abstellgleis zu stellen. Dieser Posten sei die „schlimmste Strafe für einen echten Konservativen“, sagte er. Auch Moderator Oliver Welke vermutete in der Heute-Show des ZDF, die Kanzlerin mache Spahn nur zum Ressortchef, „weil sie ihn wirklich hasst. Gesundheitsminister, das ist die Mutter aller Arschkarten.“

In der CDU wird es für möglich gehalten, dass der bisherige Amtsinhaber Hermann Gröhe Nachfolger von Peter Altmaier als Chef des Kanzleramts wird. Altmaier gilt sei längerem als gesetzt für das Amt des Wirtschaftsministers. Der bisherige Staatsminister im Kanzleramt, Helge Braun, könnte demnach Minister für Bildung und Forschung werden. In der CDU wurde davon ausgegangen, dass Merkel der rheinland-pfälzischen Parteichefin Julia Klöckner das Agrarressort anvertraut und Ursula von der Leyen Verteidigungsministerin bleibt.

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