Anker-Apotheke Elsfleth

„Innerhalb von zwei Wochen war das alles meins“

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Berlin -

Apotheken sind oft Lokalkolorit im besten Sinne, sie repräsentieren das Flair und die Ästhetik ihrer jeweiligen Region. So auch die Anker-Apotheke in Elsfleth: Die rustikal-maritime Perle spiegelt die Liebe ihrer Inhaberin zur See. Dabei war sie es ursprünglich gar nicht selbst, die die Apotheke so eingerichtet hat. Vielmehr wurde sie hineinkatapultiert: Mit gerade einmal 28 Jahren war Maike Maas-Bode, innerhalb von zwei Wochen von der Vertretung zur Inhaberin geworden.

„Wenn ich moderne Apotheken sehe, denke ich mir, das ist nicht meine Welt“, sagt Maas-Bode. „Alles ist aus Kunststoff und mit Sichtwahlprodukten vollgestellt. Mein Geschmack ist das nicht, aber jeder hat halt seine eigene Philosophie.“ Das ist nicht nur daher gesagt, denn bei Maas-Bode gehen persönliche Vorlieben und die Einrichtung ihrer Apotheke Hand in Hand. Sie ist leidenschaftliche Seglerin, spielt im Shanty-Chor der „Nautischen Kameradschaft Visurgis“ Akkordeon und verbringt schon ihr ganzes Leben jeden Sommer auf der Insel Wangerooge. Die 54-Jährige ist ein echtes Kind des Nordens: „Ich komme aus Brakel, einer Seefahrerstadt, und das prägt natürlich, wenn man am Wasser aufgewachsen ist“, erzählt sie.

Ihrer Apotheke kann man das oft schon von außen ansehen. Die Offizin befindet sich im Erdgeschoss eines 1908 erbauten Jugendstilhauses, nur 300 Meter von der Weser entfernt. Das Schaufenster versprüht oft maritimen Charme: Da stehen dann Freiwahlprodukte vor einem Fischernetz und zwischen Rettungsring, Koffern, einem Globus, Schilf und Leuchttürmen. Wirklich ansehnlich wird es dann aber innerhalb der Offizin: Da begrüßen die Kunden unter anderem Segelschiffe, Steuerräder, Backbord- und Steuerbordleuchten, Anker sowie eine Taucherglocke.

Wobei zumindest die Taucherglocke im Moment aussetzen muss: „Die wird im Moment geputzt, weil das Messing beschlagen ist“, erklärt Maas-Bode. Auch wenn es anders klingen mag: Das nimmt die 54-Jährige selbst in die Hand. Sonntags sitzt sie mit einer Tube Wenolpaste vor der Stahlkonstruktion und schrubbt kräftig. Wie lange das dauert, könne sie nicht sagen. Es ist ihr offensichtlich keine lästige Arbeit.

Ein besonderer Hingucker ist ein Gemälde des Elsflether Malers Otto Oldenburg, das vis-à-vis der Segelschiffe steht: Es zeigt die offene See, Wellengänge und Gischt. „Da bleiben viele Kunden davorstehen und lassen es auf sich wirken“, sagt Maas-Bode. Den 1899 geborenen Künstler kannte sie noch persönlich. „Als ich 1993 hier anfing, war er Kunde bei mir. Als er nicht mehr selbst kommen konnte, habe ich ihm seine Medikamente nach Hause gebracht. Da zeigte er mir seine Bilder“, erzählt sie. Otto Oldenburg verstarb im Oktober 1994 im biblischen Alter von 95 Jahren.

Keine 95, aber immerhin über 60 Jahre hat das die Holzeinrichtung schon hinter sich: Ein Tischler aus Brakel hatte sie 1958 speziell für die Apotheke angefertigt. Zwischendurch wurde sie modernisiert, hat ihr Erscheinungsbild aber erhalten. Selbst die Beleuchtung ist maritim: Über dem HV hängt ein weiteres Steuerrad samt mundgeblasener Glaskuppeln. „Das ist von einem Segelschiff, dessen Namen ich nicht kenne, aber es ist definitiv ein echtes Steuerrad“, sagt die Inhaberin. Beim Steuerrad an der Wand kann man hingegen genau sagen, wo es herkommt: Es gehörte zur Aguila, einem 1916 gebauten Passagierschiff der Liverpooler Reederei Yeoward. Dem nautischen Archiv Benjidog zufolge wurde sie 1941 von einem deutschen U-Boot versenkt.

Bei so viel Liebe zum Detail könnte man denken, dass die Einrichtung ihr eigenes Werk ist, doch tatsächlich war es eher so, dass sich Apothekerin und Apotheke gegenseitig gefunden haben. Im März 1993 arbeitete die damals 28-Jährige als Vertretungsapothekerin, als sie einen Anruf bekam, ob sie im April spontan in der Anker-Apotheke Elsfleth aushelfen könne, der Inhaber war unerwartet verstorben. In Elsfleth angekommen, eröffneten ihr die Kinder des verstorbenen Inhabers, dass sie die Apotheke samt dem Gebäude, in dem sie ist, verkaufen wollen – und machten ihr ein Angebot. „Innerhalb von zwei Wochen war das alles meins. Am 17. April 1993 habe ich den Antrag gestellt, am 1. Mai war ich schon selbstständig.“

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