Alternativmedizin

„Wir überreden keine Kunden zur Homöopathie“

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Berlin -

Die Abgabe von homöopathischen Präparaten gehört in der Einhorn-Apotheke von Benjamin Kraus dazu. Der Inhaber selbst war lange ein Skeptiker, seine Frau Katrin dagegen von der Alternativtherapie überzeugt. Als Apothekerin will sie Gegner nicht „bekehren“. Positive Rückmeldungen der Kunden zeigten deutlich, dass Homöopathie helfe. Das Therapiefeld kategorisch abzulehnen, sei falsch, sagt sie.

Kraus war schon immer an alternativen Heilmethoden interessiert. „Leider ist das Thema im Pharmaziestudium viel zu kurz gekommen“, sagt sie. Sie bildete sich selbst in dem Bereich fort und ist Fachberaterin für Schüßler-Salze. Die Konfrontation mit Skeptikern kennt sie nur zu gut: Als sie ihren Ehemann kennenlernte, seien „Welten aufeinandergestoßen“. Doch in Gesprächen und spätestens als die eigenen Kinder auf der Welt waren, habe auch er erkannt, dass Homöopathie helfe. „Warum ist zunächst egal, vielleicht ist es auch die besondere Zuwendung, die Linderung bringt.“

2013 machte sich das Paar selbstständig. Heute leiten sie die Einhorn- und Neue-Apotheke im niedersächsischen Bockenem. Von Beginn an sei klar gewesen, dass alternative Heilmethoden zur Beratung und homöopathische Produkte zum Sortiment gehörten. Ende 2017 entschieden die Apotheker gemeinsam mit dem Team, Mitarbeiter speziell zu schulen. Seit Mai diesen Jahres sind die beiden Betriebe als Schwerpunktapotheken für Homöopathie und Schüßler-Salze zertifiziert.

„Die Nachfrage nach homöopathischen Arzneimitteln ist sehr groß und nimmt stetig zu“, so Kraus. Gerade junge Familien griffen darauf zurück. Homöopathie sei immer wieder ein Thema im Stillcafé, das die Apotheke einmal wöchentlich organisiert. Auch ältere Menschen, die von der Schulmedizin enttäuscht seien, kämen mit Fragen. Homöopathie kategorisch aus der Apotheke zu nehmen, kann sie nicht verstehen: „Schicke ich diese Kunden dann weg?“

Kraus sieht in einer komplett ablehnenden Haltung die Gefahr, dass Kunden dann in das Internet abwandern. „Viele bestellen dann einfach online. Wir stehen für die Beratung vor Ort, dafür sind wir Apotheken da.“ Die Entscheidung von Kollegen, keine homöopathischen Produkte abzugeben, akzeptiere sie. „Ich würde es aber nicht machen.“ In ihrer Apotheke arbeite beispielsweise ein Pharmazeut, der selbst nicht viel mit alternativer Medizin anfangen könne. Er verweise bei der Beratung dann auf Kollegen.

Mit Kritik geht die Pharmazeutin offen um: „Dass es Menschen gibt, die an alternative Heilmethoden nicht glauben, begleitet uns schon immer und wird es auch immer tun“, sagt sie. „Wenn ich im Beratungsgespräch spüre, dass mein Gegenüber nicht offen für alternative Heilmethoden ist, versuche ich nicht die Kunden zu bekehren oder zu überreden.“ Das sei nicht der Job der Apotheken. „Wir akzeptieren diesen Standpunkt und stellen uns in unseren Beratungsgesprächen darauf ein. Von daher kommen wir nicht in die Situation, dass wir Homöopathie verteidigen müssen.“

Bei Vorwürfen, die Alternativtherapie sei Humbug, verweist Kraus auf ihre Erfahrungen: „Natürlich gibt es keine klinischen Studien, die die Wirksamkeit der Homöopathie belegen, wie es in der Schulmedizin der Fall ist.“ Aber die positiven Rückmeldungen der Kunden zeigten ganz deutlich, dass Homöopathie helfe. Auch bei den eigenen Kindern vertraut das Apothekerpaar auf alternative Heilmethoden. „Hier setzen wir sehr viele homöopathische oder anthroposophische Arzneimittel ein und erzielen damit tolle Erfolge.“ Diese Erfahrungen würden an die Kunden weitergegeben.

Homöopathie könne die Schulmedizin nicht ersetzen, so Kraus. „Natürlich weisen wir darauf hin.“ Die Therapieform sei eine „sinnvolle Ergänzung“. Man müsse aber ganz klar die Grenzen der Homöopathie erkennen. Die Apothekerin nimmt sich Zeit für die Beratung. Die Gespräche in einem separaten Raum dauerten zwischen 30 und 45 Minuten. Der ganzheitliche Ansatz der Homöopathie spiele auch in den Beratungen eine zentrale Rolle. Könne sie nicht mehr weiterhelfen, verweise sie an Heilpraktiker.

Noch bewirben die Apotheker den homöopathischen Schwerpunkt ihrer Betrieb nicht aktiv. „Dies ist aber für die Zukunft geplant“, sagt Kraus. In der Vergangenheit habe es einmal jährlich einen Vortrag zum Thema „Schüßler-Salze“ gegeben. „Diese und weitere Aktionen sind für die Zukunft geplant“, sagt Kraus. In der kommenden Woche sei die Alternativmedizin Thema im Stillcafé.

Dort betreut die Apothekerin gemeinsam mit einer Kinderkrankenschwester Stillende. „Gerade Mütter fragen oft nach Homöopathie.“ Sie seien Alternativen dankbar, sagt Kraus. „Homöopathie liegt bei uns im Trend.“ Der Anteil der Produkte sei gemessen am Gesamtumsatz zwar eher gering. Doch der Bereich wachse.

Wie steht ihr zu Globuli & Co.? Habt ihr ethische Bedenken, Homöopathika abzugeben? Erlebt ihr Debatten im HV? Jetzt mitdiskutieren im LABOR von APOTHEKE ADHOC!

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