Spahn-Biographie

„Der Jens wird später mal Bundeskanzler“

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Berlin -

Aus politischer Sicht ist Jens Spahn (CDU) eine interessante Persönlichkeit. Das findet der Herder Verlag. Das findet Autor Michael Bröcker. Und auch Laudator Dietmar Bartsch. So weit stimmt man überein. Für den Chef der Linksfraktion dient Spahn zudem als „gutes Feindbild“. Aber er will mehr: Bei der Vorstellung seiner Biographie machte Spahn keinen Hehl daraus, dass der ein Auge auf das Kanzleramt geworfen hat.

„Es ist nicht so, dass ich jeden Morgen damit aufwache“, antwortet Spahn bei der Buchvorstellung auf die unvermeidbare K-Frage. „Mal sehen, wo das Ganze hinführt.“ Vor dem Griff nach der Macht schreckt der 38-jährige CDU-Politiker, der wie kein anderes Kabinettsmitglied die Schlagzeilen dominiert, jedenfalls nicht zurück. „Ich will gestalten“, sagt er. „Für Veränderungen benötigt man als Politiker das Vermögen, zu verändern. Dinge zu entscheiden und umzusetzen. Das ist Macht.“

Jeder wisse, dass das die letzte Amtszeit von Kanzlerin Angela Merkel sei, befeuert Bartsch die Spekulationen. Er habe Spahn im Haushaltausschuss 2005 kennengelernt, „als kleines Licht, das sich hinten anstellen und in der zweiten Reihen sitzen muss“, erzählt der Fraktionsvorsitzende der Linken. Beeindruckt habe ihn an Spahn schon damals, dass „seine Argumente immer klar waren“. „Es lohnte sich das Zuhören.“ Spahn habe in seiner politischen Karriere stets „viel Mut“ bewiesen und wenig auf Sicherheit gesetzt. Er agiere nicht nach dem Prinzip: „Das Amt muss auf die Person zukommen, Spahn geht auf das Amt zu.“ Strategisch habe Spahn politische „Bündnisse geplant wie andere Feldzüge“.

Auch wenn er mit Spahn in den meisten politischen Fragen weit auseinander liege, habe das persönlich nie eine Rolle gespielt. Bartsch traut Spahn zu, das konservative Profil der Union wieder stärker zur Geltung bringen zu können, ohne die sozialen Werte zu vernachlässigen – nicht ohne Eigennutz für die Linken. Schließlich können sie sich von einer konservativen CDU besser abgrenzen. „Für die Linke ist Spahn ein gutes Feindbild“, so Bartsch. Für seinen politischen „Kampf“ sei aber ganz klar, „dass es keinen Kanzler Spahn gibt“. So weit gehen Sympathie und Respekt der beiden Duzfreunde dann doch nicht.

Ein bisschen früh erscheint selbst Spahn der Zeitpunkt der ersten Biographie aus der Feder des Chefredakteurs der Rheinischen Post aber schon: „Mit 38 Jahren eine Biographie“, habe er sich gefragt, als der Herder Verlag an ihn herantrat: „Was ist denn das?“ Wenn es schon sein solle, habe er sich zur Mitarbeit entschieden. Den ersten Teil des Buches über seine frühe Entwicklung „finde ich persönlich spannend“. Vieles stimme, „das Meiste sogar“. Darin erzählt das Buch über Spahns erste politische Schritte, über seinen katholischen Hintergrund, seine Zeit als Messdiener, seine erste „Freundin“ und sein homosexuelles Outing. Seine Homosexualität habe bei ihm das „Bewusstsein dafür geschärft, was um mich herum vorgeht“, erzählt Spahn. Davon habe er profitiert: „Ich nehme mehr wahr, als die meisten mir zutrauen.“ Alles Private ist auch politisch, war früher ein Slogan der politischen Linken.

Und immer wieder geht es auch in Bröckers Spahn-Biographie um die K-Frage: 1997 war er sogar schon einmal Kanzler, erfährt der Leser darin – bei einem politischen Planspiel in der 12. Klasse, bei einem Schulausflug zum Bundesrat in Bonn. Er sollte in der Rolle des Kanzlers dafür werben, dass die Deutschlandflagge um einen Bierkrug erweitert wird. Die Abstimmung verlor er, aber die Mitschüler waren wie Bartsch einige Jahre später beeindruckt. Einer sagte nach der Fahrt zu seiner Mutter: „Der Jens wird später mal wirklich Bundeskanzler.“

Um die Kanzler-Frage am Köcheln zu halten, kommen natürlich auch bekannte Politiker zu Wort: Wolfgang Schäuble (CDU), Edmund Stoiber (CSU) und auch der österreichische Kanzler Sebastian Kurz. Zu Spahns wichtigsten Unterstützern in der Union zählt Bundestagspräsident Schäuble seit Jahren: „Wenn Jens Spahn den Gesundheitsminister erfolgreich macht, kommt er auch für Höheres infrage“, lobt der 75-Jährige.

Auch der wie Spahn noch junge österreichische Kanzler Kurz (32) lässt keinen Zweifel aufkommen, dass er glaubt: Spahn kann Kanzler. „Er ist ein Politiker mit Ecken und Kanten, davon haben wir viel zu wenige in Europa. Er ist ein außergewöhnliches politisches Talent, dem ich auch höhere Positionen zutraue. Er hat vieles, was man für die Spitzenämter in einer Demokratie braucht: Leidenschaft, Gestaltungswille, Überzeugung. Jens hat noch viel vor sich.“

Für Ex-CSU-Chef Stoiber verkörpert Spahn einen Charakter, „der diesem Land gut tut“. Spahn gehöre zu den seltenen Typen, die „Mut haben und den Mund aufmachen, auch wenn die nicht auf der Mehrheitslinie liegen“. Stoiber: „Davon brauchen wir mehr in der Politik.“

Ob Spahn tatsächlich Chancen für die Kanzlerschaft hat, steht in den Sternen. Sicher ist allerdings, dass er mit seinen 38 Jahren zur jungen Hoffnungsgarde der Union zählt wie Ministerpräsident Daniel Günther (45), der in Schleswig-Holstein mit den Grünen und der FDP regiert, und natürlich Annegret Kramp-Karrenbauer (56), Merkels CDU-Generalsekretärin, die aktuell dem neuen Grundsatzprogramm der CDU ihren Stempel aufdrückt. So ähnlich hat es vor 16 Jahren auch Merkel mit der „Neuen Sozialen Marktwirtschaft“ gemacht. „AKK“ gilt daher als schärfste Konkurrentin für Spahns Ambitionen. Dass sie auf dem K-Karussell mitspielen will, lässt sich übrigens daran ablesen, dass im Oktober ihre Biographie erscheint – geschrieben von einer Journalistin, wieder von der Rheinischen Post.

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