475 Jahre Hof-Apotheke Coburg

Keine Sorgen – und trotzdem Likör

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Berlin -

Wer Sorgen hat, hat auch Likör – sagt man so. Apotheker Gernot Priesner aus Coburg hat keine Sorgen, aber Likör. Deshalb verkauft er ihn. Und trinkt zum Geburtstag seiner Hof-Apotheke ein Gläschen des süß-würzigen „Hoflikörs“, dessen Rezept nur er kennt.

Es wird „von Druide zu Druide“ weitergegeben und besteht aus 27 Kräutern und Gewürzen. Ein Familiengeheimnis, das Priesners Großvater im Wortsinn ausgegraben hat. Denn die Apotheke, die in diesen Tagen ihren 475. Geburtstag feiert, soll, so erzählt man sich, durch einen geheimen Gang mit der Veste Coburg verbunden sein. Die Veste ist eine mittelalterliche Burganlage, nach dem Geheimgang hat Opa Priesner in den 1930er-Jahren gegraben.

„Er hat tatsächlich einen Geheimgang gefunden, nach ein paar Metern war allerdings alles verschüttet”, erzählt der Apotheker. Doch die Arbeit war nicht vergebens, denn neben einer alten Vase und vielen Scherben fand der Großvater, ebenfalls Pharmazeut, ein paar alte Rezepte. Kostbares Gut, das bei dem experimentierfreudigen Apotheker in den besten Händen war. „Er hat sie alle ausprobiert, das Likörrezept war das beste”, sagt Priesner. Das war die Geburtsstunde des Hoflikörs, der heute in der Offizin und online verkauft wird. Ab sechs Flaschen gibt’s Rabatt.

Die Apotheke hat neben den hochprozentigen Schätzen noch eine weitere Besonderheit. „Unser Kräuterboden ist einmalig“, sagt der Apotheker. Im Dachgiebel der Hofapotheke werden in alten Tonnen aus Buchenholz über 130 Kräuter gesammelt. Wahre Schätze, die, perfekt gemischt, unten in der Offizin als bei den Kunden beliebte Kräutertees verkauft werden. Auch Gewürze werden auf dem Kräuterboden aufbewahrt. „Die hohe Qualität unserer Kräuter hat sich herumgesprochen. Als in den 1940-er und -50er-Jahren die Homöopathie aufkam, hat mein Großvater ein großes Unternehmen mit Kräutern beliefert“, erzählt der Enkelsohn.

Er ist in den alten, stolzen Gemäuern quasi groß geworden und früh stand fest, welchen Beruf er ergreifen würde: Apotheker, was sonst. Weil es der schönste Beruf der Welt ist. „Trotz aller Bürokratie und Unwegsamkeiten. Man hat viel Kontakt mit Menschen und kann helfen und heilen“, erklärt er. „Meine Familie führt das Unternehmen in der fünften Generation.“

Der Mann braucht keinen Likör, um sich den Beruf und die Branche schön zu reden. Er hat eine realistische Sicht der Dinge. „Nicht nur Apotheker haben Probleme, alle Selbstständigen sind davon betroffen.“ Zwar seien Apothekensterben und Bürokratie nicht weg zu leugnen, aber der 51-Jährige sagt: „Uns Apothekern geht es doch trotzdem noch gut. Die Apotheker waren lange verwöhnt, das habe ich von meinem Vater noch mitbekommen, vor 20 Jahren sah die Arbeit noch anders aus.“ Auflagen, Sparmaßnahmen und Bürokratie sind heute auch Dauergäste in seiner Offizin, aufgeben würde er deshalb aber nicht. Denn wer seinen Beruf liebt, nimmt auch die Schattenseiten in Kauf.

Priesner und sein Team arbeiten im denkmalgeschützten Ambiente. Über die Jahrhunderte waren hier fünf Herzöge Besitzer und einer hat an die Wand gepinselt: „Will mich Gott erneren, so kan Ihn Niemand wehren!” – aus heutiger Sicht mit einigen Rechtschreibfehlern, ging der Spruch damals auch ohne Likörgenuss als korrekt durch.

Im Jahr 1543 wurde die Hofapotheke gegründet. Und schaut man ins Geschichtsbuch der Offizin, stellt man fest, dass der Beruf des Apothekers auch schon damals durchaus seine Tücken hatte. Denn bereits im Jahr 1538 forderte Cyriakus Schnauß, ein 26-jähriger Pharmazeut, die Genehmigung zur Errichtung seines Unternehmens.

Wer heute über Bürokratie klagt, dem sei gesagt: Der damalige Coburger Stadtrat entpuppte sich als störrische Versammlung. Die Begründung: Es gab keinen Stadtmedicus in Coburg. Ohne Arzt keine Apotheke.

Schnauß stellte fest, dass man „wegen einer Krankheit nicht erst nach Nürnberg oder Bamberg schicken könne“. Und dann zeigte er denen vom Stadtrat, was ein Apotheker ist: Er eröffnete einfach seine Offizin, ganz ohne Genehmigung. Das Ganze ging irgendwie gut. Und heute, 475 Jahre später, ist nach vielen Apothekergenerationen, wieder ein tüchtiger Mann am Werk. Niemals war die Hof-Apotheke geschlossen, egal, ob Krieg oder Frieden herrschte. Darauf einen Hof-Likör.

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