Großhandels-Razzia

Kartellamt: „Waffenstillstand“ der Großhändler

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Berlin -

Das Bundeskartellamt vermutet illegale Absprachen auf Seiten der Großhändler. Bundesweit wurden heute Niederlassungen durchsucht, teilweise hält das Auslesen der Datenträger bis zur Stunde an. Der Vorwurf laut Beschluss des Kartellamtes: Die Großhändler sollen „eine Art Waffenstillstand“ bei den Konditionen geschlossen haben.

Betroffen sein sollen Phoenix, Gehe, Sanacorp, AEP, Pharma Privat, Alliance, Noweda und Hageda Stumpf. Insbesondere sollen sich die Großhändler nach dem Ende der Rabattschlacht Anfang 2016 darauf verständigt haben, sich gegenseitig keine Apotheken mit Erstlieferantenverhältnis mehr abspenstig zu machen. Konkret sollen ab Juli keine neuen Angebote als Hauptlieferant mehr angenommen worden sein.

Das Kartellamt bestätigte, dass bei acht Unternehmen der Branche Durchsuchungen stattgefunden haben. Eine Bestätigung der betroffenen Großhändler steht noch aus. Offenbar wurden nur die privaten Großhändler ausgespart. Mit einer Ausnahme: In seiner Funktion als Geschäftsführer des Verbunds Pharma Privat erhielt Hanns-Heinrich Kehr in Braunschweig Besuch von den Beamten.

Ein Phoenix-Sprecher bestätigte die Durchsuchung. Das Kartellamt war demnach in Mannheim, München und Fürth. Auch bei dem nicht im Phagro organisierten Großhändler AEP waren Kartellamt und Kriminalpolizei. Eine Bestätigung der Großhändler Gehe, Noweda, Alliance Healthcare und Sanacorp steht noch aus.

Ein Sprecher des Kartellamtes hatte auf Nachfrage gegenüber APOTHEKE ADHOC bestätigt, dass es heute eine bundesweite Durchsuchungsmaßnahme bei insgesamt acht Pharmagroßhändlern gab. „Die Behörde geht dem Verdacht nach, dass die Großhändler untereinander wettbewerbsbeschränkende Absprachen, insbesondere sogenannte Kundenschutzabsprachen getroffen haben.“

Weiter heißt es aus Bonn: „Die Durchsuchung dient der Sicherung von Beweismitteln, die den Verdacht auf wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen bestätigen oder entkräften können. Bis zum Abschluss des Verfahrens gilt die Unschuldsvermutung. Deshalb machen wir zum jetzigen Zeitpunkt auch keine weiteren Angaben zu den durchsuchten Unternehmen.“

Die Durchsuchung fand laut Kartellamt an mehreren Unternehmensstandorten statt. „Insgesamt waren 50 Mitarbeiter des Bundeskartellamtes an der Maßnahme beteiligt, die von Kräften der örtlichen Kriminalpolizei unterstützt wurden“, so der Sprecher.

1990 hatte das Bundeskartellamt ein Bußgeld von knapp 38 Millionen DM gegen 13 Großhändler verhängt. Die Wettbewerbshüter konnten damals belegen, dass sich die Unternehmen im Dezember 1986 auf einen „grundsätzlichen Akquisitionsstop“ verständigt hatten – „zum Zwecke einer fortlaufenden Senkung der den Apotheken eingeräumten Rabatte“.

In den folgenden Jahren hätten die Niederlassungsleiter dann „konkrete Rabattabsprachen“ getroffen, Abwerbungen unterlassen und den Wettbewerb durch einen Kundenausgleich und weitere Maßnahmen weiter beschränkt.

Vor knapp acht Jahren musste das Kartellamt erneut einschreiten: Wegen kartellrechtswidriger Absprachen mussten die Anzag (heute Alliance), die Sanacorp, Phoenix und Gehe sowie fünf Einzelpersonen zusammen knapp 2,2 Millionen Euro Strafe zahlen. Die Großhändler hatten laut Kartellamt illegale Absprachen zu ihren Marktanteilen getroffen.

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