Weibliche Libidostörungen

Vyleesi: FDA erteilt Zulassung für Lustspritze

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Berlin -

Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat die Zulassung für Vyleesi (Bremelanotid, Palatin) erteilt: Die Autoinjektoren werden zur Behandlung der sexuellen Unlust prämenopausaler Frauen eingesetzt und stellen in den USA bereits die zweite Behandlungsmöglichkeit dar. In Europa soll das Zulassungsverfahren Ende des Jahres eingeleitet werden, der Einsatz wird jedoch kritisch bewertet.

Die Zulassung der FDA beruht auf zwei Studien mit gut 1200 Frauen: Laut Angaben der Patientinnen griffen sie etwa zwei bis dreimal pro Monat zur „Lustspritze“, 25 Prozent der Teilnehmerinnen berichteten nach der Applikation mehr Lust verspürt zu haben, in der Placebogruppe waren es vergleichsweise nur 17 Prozent. Das Arzneimittel kann von den Frauen selbstständig appliziert werden: Die Injektion erfolgt etwa 45 Minuten vor dem Geschlechtsverkehr in den Oberschenkel oder den Bauch.

Um die Wirkung von Bremelanotid zu bewerten, beantworteten die Patientinnen zu Beginn und zum Ende der Studie verschiedene Fragen in Bezug auf Häufigkeit und Intensität des sexuellen Verlangens. Anhand dieses standardisierten, sogenannten „Female Sexual Function Index“ (FSFI) wurde ein Wert zwischen 1,2 und 6 ermittelt: Je höher der Wert, desto stärker ausgeprägt ist das sexuelle Verlangen. Der FSFI-Wert zu Beginn wurde schließlich mit dem am Ende der Studie verglichen.

Die beobachteten Nebenwirkungen von Vyleesi waren gravierend: Nach der Injektion erhöhte sich der Blutdruck der Patientinnen. Meist bildete sich diese unerwünschte Wirkung innerhalb von zwölf Stunden zwar wieder zurück, dennoch warnt die FDA, dass das Arzneimittel zur Steigerung der sexuellen Lust bei Frauen mit unkontrolliertem Blutdruck nicht eingesetzt werden soll. Nach der Applikation kam es bei 40 Prozent zu starker Übelkeit. Viele der Frauen mussten den Brechreiz sogar mit anderen Medikamenten behandeln. Eine weitere häufige Nebenwirkung waren Kopfschmerzen oder eine Dunkelfärbung der Haut. Vyleesi sollte von Betroffenen nicht öfter als einmal täglich und nicht häufiger als achtmal im Monat eingesetzt werden. Patientinnen, denen die Injektion nach acht Therapiewochen keine Besserung verschafft, sollen das Arzneimittel absetzen.

Vyleesi ist innerhalb weniger Jahre bereits das zweite Medikament, das in den USA für diese Indikation zugelassen wurde. Im August 2015 machte die Tablette Addyi (Flibanserin) den Anfang: Das Arzneimittel muss täglich eingenommen werden; häufige Nebenwirkungen sind Schläfrigkeit und Übelkeit. Neben der Applikationsform sind auch die Wirkmechanismen von Vyleesi und Addyi vollkommen verschieden: Während es sich bei Addyi um ein Antidepressivum, welches in das Serotonin-System eingreift, handelt, erlangte das in Vyleesi enthaltene Bremelanotid Ende der achtziger Jahre als eine Art medizinisches Selbstbräunungsmittel Bekanntheit. Der Wirkstoff wurde urprünglich entwickelt, um Hautkrebs vorzubeugen – die aphrodisierende Wirkung war reiner Zufall. Chemisch ähnelt die Subtanz dem körpereigenen Hormon Melanocortin.

In den USA spricht man in Bezug auf Libidostörungen bei Frauen häufig von Hypoactive Sexual Desire Disorder (HSDD): Die sexuelle Unlust ist demnach ein anhaltender oder wiederkehrender Mangel an erotischen Phantasien und dem Verlangen nach sexueller Aktivität. Der Einsatz solcher „Lustpräparate“ wird häufig kritisch bewertet: Unzählige Faktoren nehmen Einfluss auf die weibliche Lust: So spielen beispielsweise Hormone, das Vertrauensverhältnis zum Sexualpartner, sowie beruflicher oder familiärer Stress eine große Rolle. Sexuelles Verlangen entsteht aus einem komlexen Zusammenspiel von verschiedenen Hormonen und Botenstoffen. Genau hier soll Vyleesi eingreifen, der genaue Wirkmechanismus ist jedoch – genau wie bei Addyi– weiterhin unbekannt.

Die Erwartungen an Addyi waren damals groß: Das „Pink Viagra“ sollte genauso erfolgreich wie ihr „männliches Pendant“ werden. Boehringer Ingelheim verkaufte das Projekt jedoch 2012 an Sprout, weil die Zulassung als Lustpille gescheitert war. Mit einer gut durchdachten Kampagne gelang die Zulassung dann doch: Sprout finanzierte Frauenverbände, die für die Zulassung von Sexmedikamenten für eine weibliche Klientel werben – dadurch bekam das Thema öffentliche Aufmerksamkeit. Die US-Arzneimittelbehörde FDA – jetzt unter Zugzwang – erteilte die Freigabe. Einen Tag später verkaufte Sprout das Mittel an den kanadischen Hersteller Valeant. Laut IMS Health wurde die Addyi in den ersten vier Monaten nur 3200 Mal verschrieben – die Lustpille wurde schließlich zum Ladenhüter.

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