Influenza

Grippeimpfstoffe: Engpass überrascht Politik

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Berlin -

Vor etwa zwei Wochen warb Bundesgesundheitsminister Jens Spahn für die Grippeschutzimpfung. Auch er habe sich bereits impfen lassen. Dass es mit dem saisonalen Impfstoff eng werden könnte, erwischt die Politik genauso hart, wie die echte Grippe normalerweise zuschlägt. „Die Politik ist überrumpelt“, berichtet n-tv. Schuld am möglichen Mangel will jedoch niemand sein.

„Das ist definitiv eine der meist unterschätzten Erkrankungen, die es gibt“, sagte Spahn bei einem Besuch des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI). Der Gesundheitsminister mahnte zudem die viel zu geringe Impfquote. Am 25. Oktober war der CDU-Politiker noch optimistisch und warb für die Grippeschutzimpfung: „Wir setzen darauf, dass es dieses Jahr deutlich besser läuft“, so Spahn stolz. „Wir haben aus der Vergangenheit gelernt, wo es durch Rabattverträge immer wieder zu Lieferengpässen in bestimmten Regionen Deutschlands gekommen ist.“

Tatsächlich scheint es eng zu werden um den kleinen Piecks. Denn drei Hersteller melden, ihre Vakzine für die aktuelle Saison bereits abverkauft zu haben. Apotheken aus verschiedenen Regionen Deutschland klagen, keinen Impfstoff erhalten zu haben beziehungsweise sehnsüchtig darauf zu warten. PEI-Präsident Professor Dr. Klaus Cichutek räumt im ARD-Morgenmagazin zwar ein, Kenntnis von lokalen Verteilungsproblemen zu haben. Jedoch gehe er „von einer guten Versorgung der Bevölkerung aus“. Laut Cichutek ist die Impfung der effektivste Schutz gegen Grippe. Seitens des PEI wurden 15,3 Millionen Impfdosen für den deutschen Markt freigegeben – weniger als im Vorjahr.

Beim G-BA sieht man die Schuld nicht bei sich: „Wieviel Impfstoff produziert wird, kalkulieren die jeweiligen Hersteller eigenverantwortlich.“ Die Rolle des G-BA sei klar definiert. Grundlage der Leistungsentscheidungen für die gesetzliche Krankenversicherung seien die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO). Nachdem die STIKO am 11. Januar festgelegt hatte, für die Grippeschutzimpfung ab der Saison 2018/19 den Vierfach-Impfstoff einzusetzen, „wurde vom G-BA zügig über die Umsetzung beraten und entschieden, dass diese Konkretisierung auch in die Schutzimpfungs-Richtlinie übernommen wird“.

„Mediale Spekulationen über eine Nichtumsetzung der STIKO-Empfehlung durch den G-BA wurden meinerseits bereits am 18. Januar klar zurückgewiesen“, so der G-BA-Vorsitzende Josef Hecken. „Noch bevor die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am 22. Februar 2018 die Antigenkombination des Vierfach-Impfstoffs für die Saison 2018/19 bekannt gegeben hat, war also etwaigen Unsicherheiten in Bezug auf die turnusgemäße Produktion der benötigten Grippe-Impfstoffe für den deutschen Versorgungskontext vorgebeugt.“

Hecken verweist auf die WHO-Empfehlung für die jeweilige saisonale Zusammensetzung der Impfstoffe, die regelmäßig im ersten Quartal veröffentlicht werde: „Dieses Verfahren ist etabliert und bewährt. Den pharmazeutischen Unternehmen wird so die notwendige Vorlaufzeit geboten, um rechtzeitig zur nächsten Grippesaison in der nördlichen Hemisphäre den benötigten Impfstoff gegen die saisonale Influenza mit der entsprechenden, von der WHO festgelegten Kombination aus drei oder vier Antigenen zur Verfügung zu stellen.“

Auch Susanne Dolfen, Leiterin Arzneimittelversorgung bei der AOK Nordost, bestreitet Probleme: „In der Region Nordost ist nicht mit Lieferengpässen oder gar einem Ausverkauf der Grippeimpfstoffe zu rechnen.“ Dolfen lobt die eigene Vereinbarung: „Das liegt daran, dass wir uns gemeinsam mit unseren Partnern, den Apothekerverbänden in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, frühzeitig um die Liefersicherheit bemüht haben. Als erste Region in Deutschland haben wir bereits im Februar 2018 den Bedarf ermittelt, so dass der Grippeimpfstoff frühzeitig bestellt werden konnte. Auf dieses bewährte Versorgungsmodell greifen wir seit 2011 zurück. Lieferengpässe für Grippeimpfstoffe waren daher im Nordosten nie ein Thema.“

Die Wahrheit sieht anders aus. Bundesweit melden sich seit einigen Wochen immer wieder Apotheker zu Wort, denen Impfstoff fehlt. Gelegentlich kommt dann Ware, sodass die Praxen doch noch beliefert werden können. Offizielle Stellen geben sich noch optimistisch: „Tatsächlich wurde in dieser Saison noch nicht so viel Grippeimpfstoff ausgeliefert wie im Vergleichszeitraum der vergangenen Jahren. Wir gehen aber davon aus, dass in den kommenden Wochen mehr Impfstoff ausgeliefert wird“, teilt etwa die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen mit.

Regionale Unterschiede werden auch aus Baden-Württemberg gemeldet. Im Großen und Ganzen seien die Apotheken jedoch gut versorgt. Auch in mehreren Regionen Niedersachsens sowie in Rheinland-Pfalz fehlte es – zumindest zeitweise – am saisonalen Impfstoff.

Sanofi (Vaxigrip Tetra), GlaxoSmithKline (Influsplit Tetra) und AstraZeneca (Fluenz Tetra) haben gegenüber dem PEI mitgeteilt, ihre Lagerbestände abverkauft zu haben. Diese befinden sich irgendwo zwischen Großhandel, Apotheke und Arztpraxen – oder wurden bereits verimpft. Von Mylan (Influvac Tetra) gibt es dazu beim PEI noch keine Meldung. Theoretisch könnten noch Chargen zur Freigabe eingereicht werden, denn dies muss von den Unternehmen nicht zuvor angemeldet werden. Doch die Hersteller sagen ab: Bei Mylan ist die Produktion nach Angaben der Hotline beendet.

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