Steuerbetrug

Schäuble schickt Kassen-Polizei in Apotheken

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Berlin -

Jahrelang wurde über Maßnahmen gegen den Steuerbetrug mit Kassensystemen nur diskutiert. Jetzt macht Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ernst: Demnächst sollen Finanzbeamte auch in Apotheken unangemeldet Kassenprüfungen, Testkäufe und Observierungen vornehmen können. Dabei dürfen sie die Geschäftsräume betreten, in Ausnahmefällen auch die privaten Wohnräume gegen den Willen des Inhabers. Das sieht der Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums (BMF) vor. Zudem werden die Kassensysteme lückenlos überwacht. Wer manipuliert, muss mit 25.000 Euro Strafe rechnen – zusätzlich zu den etwaigen Steuernachzahlungen.

Allerdings verzichtet Schäubles Gesetzentwurf auf die von der SPD geforderte Einführung einer Registrierkassen- und Belegausgabepflicht für alle Betriebe. Stattdessen setzt das BMF auf schärfere Kontrollen. „Durch eine unangekündigte Kassen-Nachschau besteht für den Steuerpflichtigen ein deutlich erhöhtes Entdeckungsrisiko. Sofern ein Anlass zu Beanstandungen der Kassenaufzeichnungen, -buchungen oder der technischen Sicherheitseinrichtung besteht, kann der Amtsträger ohne vorherige Prüfungsanordnung zur Außenprüfung übergehen“, heißt es im Referentenentwurf.

Die neue Kassen-Nachschau ist das zentrale Kontrollinstrument in Schäubles Plan: „Durch eine unangekündigte Kassen-Nachschau während der üblichen Geschäftszeiten des Steuerpflichtigen können Amtsträger Grundstücke und Räume von Steuerpflichtigen betreten, die eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit ausüben, um vor Ort die Ordnungsmäßigkeit der Kassenaufzeichnungen sowie der Kassenbuchführung prüfen“, heißt es im Gesetzentwurf.

Bei den Grundstücken und Räumen müsse es sich „grundsätzlich um Geschäftsräume des Steuerpflichtigen handeln“. Abweichend davon dürften auch „Wohnräume gegen den Willen des Inhabers nur zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung betreten werden“.

Steuerfahnder erhalten zudem das Recht, verdeckt und Inkognito in den Geschäftsräumen die Handhabung der Kassen zu observieren: „Eine Beobachtung der Kassen und ihrer Handhabung in Geschäftsräumen, die der Öffentlichkeit zugänglich sind, ist ohne Pflicht zur Vorlage eines Ausweises zulässig. Dies gilt z. B. auch für Testkäufe“, so der Referentenentwurf. Die Kassen-Nachschau gilt nicht nur im Fall elektronischer Kassenaufzeichnungssysteme, sondern „auch im Fall einer offenen Ladenkasse“. Damit können Steuerfahnder demnächst zum Beispiel auch Marktstände behelligen.

Im Steuerrecht neu eingeführt wird eine „fortlaufende Einzelaufzeichnung sämtlicher aufzeichnungspflichtiger Geschäftsvorfälle“. Die Einzelaufzeichnungspflicht bedeutet, dass „aufzeichnungspflichtige Geschäftsvorfälle laufend zu erfassen, einzeln festzuhalten sowie aufzuzeichnen und aufzubewahren sind, so dass sich die einzelnen Vorgänge in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen können“.

Nach Schätzung des BMF müssen circa 411.000 elektronische Registrierkassen ausgetauscht werden. 2,1 Millionen elektronische Kassensysteme können offenbar umgerüstet werden: „Der einmalige Erfüllungsaufwand von rund 470 Millionen Euro für die Wirtschaft entfällt auf die Anschaffung von Neugeräten von rund 405 Millionen Euro und auf die Umrüstung der Altgeräte von rund 22,5 Millionen Euro.“

Das BMF geht von insgesamt 2,1 Millionen betroffenen Kassen aus: Nach Schätzungen könnten circa 411.000 Geräte ausgetauscht und 1,7 Millionen Geräte umgerüstet werden. 17 Millionen Euro soll die Umrüstung mit einem Sicherheitsmodul kosten und 26 Millionen Euro der Einbau.

Mit seinem Referentenentwurf schließt sich das BMF nach einigem Zögern der Sicht der Länderfinanzminister an: Die heute bestehenden technischen Möglichkeiten zur Manipulation von digitalen Grundaufzeichnungen, wie Kassenaufzeichnungen stellten ein „ernstzunehmendes Problem für den gleichmäßigen Steuervollzug dar“, so das BMF. Auf Grund der fortschreitenden Technisierung sei es heutzutage möglich, dass digitale Grundaufzeichnungen in elektronischen Registrierkassen unerkannt gelöscht oder geändert werden könnten. Dies erfordere „die Einführung gesetzlicher Regelungen sowie technischer Maßnahmen“.

Allerdings spricht sich das BMF gegen die verbindliche Einführung eines technischen Standards wie Insika aus. Allerdings entspricht die Insika-Smartcard derzeit nicht den europäischen Sicherheitsanforderungen. Insika sei hinsichtlich der Smartcardvergabe und der Verwaltung der Smartcards im Unternehmen aufwändig. Weiterhin berge das Konzept nicht „unerhebliche rechtliche Risiken und Kosten“.

Auch die Belegausgabe sei zwingender Bestandteil des Insika-Konzepts. Dafür müssten teilweise neue Drucker angeschafft werden, die den Ausdruck eines 2D-Codes ermöglichten. Für jedes elektronische Aufzeichnungsgerät müssten ein Kartenleser und eine Smartcard angeschafft werden. Hinsichtlich der „Belegkontrollen durch Kunden bestehen verfassungsrechtliche Bedenken“, da diese Kontrolle grundsätzlich der hoheitlichen Verwaltung unterlägen.

Stattdessen setze das BMF auf ein „Zertifizierungsverfahren“. Dieses schreibt eine technische Sicherheitseinrichtung vor, die aus einem Sicherheitsmodul, einem Speichermedium und einer digitalen Schnittstelle besteht. Die technischen Anforderungen daran werden durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) bestimmt. Die technische Sicherheitseinrichtung wird vom BSI zertifiziert. Auch die Kassensoftware der Apotheken muss diesen Standards künftig genügen.

Durch das Sicherheitsmodul soll jede digitale Aufzeichnung, jeder Geschäftsvorfall und auch Trainingsbuchungen protokolliert werden. Das Zertifizierungsverfahren sei „geeignet, die Integrität (Unveränderbarkeit) und Authentizität (Herkunft der Daten) zu sichern“.

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