Hilfe für den Kundenkontakt

Lieferengpässe – so erkläre ich sie dem Kunden

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Berlin -

Sie gehört mit zu den größten Ärgernissen in der Apotheke überhaupt: die wahre Flut an Lieferengpässen. Die Gründe dafür sind so zahlreich wie vielfältig, und nicht selten weiß man überhaupt, wie sie zustande gekommen sind. Manchmal ist der Grund bekannt, doch häufig tappt man bei dem Versuch der Erklärung einfach im Dunkeln. Was sagt man nun dem Kunden, der sein Medikament nicht bekommen kann?

Eine Situation, wie sie in Deutschlands Apotheken leider täglich mehrfach vorkommt: Ein Kunde reicht sein Rezept über den HV-Tisch, doch das verordnete Medikament ist nicht lieferbar. Hat man Glück, so stellt ein weiterer Hersteller ein austauschbares Präparat her, auf das ausgewichen werden kann. Manchmal kann man auch mit einer kleineren Normgröße die Zeit überbrücken, bis die Großpackung wieder ausgeliefert wird. In all diesen Fällen sollte man nicht stumm vor dem Kunden stehen und mit gerunzelter Stirn auf den Bildschirm blicken, bis man sich einen Überblick verschafft hat. Er benötigt eine Erklärung dafür, warum die Wartezeit länger dauert, als er es gewohnt ist.

Mit dem Satz: „Ihr Medikament ist zurzeit nicht lieferbar“ kann er als Laie allerdings nicht viel anfangen. Besser wäre es zu sagen: „Der Hersteller liefert Ihr Medikamente im Moment nicht aus.“ Dann ist klar, dass es nicht darum geht, dass das Präparat über Nacht beschafft werden muss, sondern es länger dauert, bis es wieder verfügbar ist. „Ich kümmere mich gerade darum, dass wir Ihnen einen Ersatz besorgen können“ ist ebenfalls hilfreich, um die Situation vorerst zu entspannen. Die Frage: „Bis wann benötigen Sie die Packung denn?“ bindet den Kunden in den Prozess mit ein und verschafft noch einmal etwas Zeit zur Suche.

Ist die Antwort darauf: „Das hat noch etwas Zeit, ich wollte nur meine Vorräte auffüllen bevor die Urlaubszeit beginnt“, so kann mit dem Kunden ein Anruf vereinbart werden, sobald das Medikament wieder verfügbar ist. Das ist aber nicht die Regel, denn für gewöhnlich benötigt er es sofort. Hier können sich benachbarte Apotheken gegenseitig unter die Arme greifen. Im Beisein des Kunden ruft man bei den Kollegen in der Nähe an und kann ihn dann direkt dorthin schicken, wenn das benötigte Präparat noch im Lager liegt. Die meisten Kunden sind über die schnelle und uneigennützige Hilfe sehr dankbar und bleiben der Stammapotheke auch weiterhin treu, weil sie sehen, dass ihnen ihr Wohl näher am Herzen liegt als der durch sie erzielte Umsatz.

Wenn unklar ist, wann das Arzneimittel wieder lieferfähig sein wird, hilft ein Anruf beim Hersteller. Der sollte allerdings nicht irgendwo in der Warenwirtschaft, sondern idealerweise im Beisein des Kunden erfolgen. Dadurch merkt er umso mehr, dass man sich für ihn einsetzt. Außerdem wird ihm durch die Aussage der Firma selbst klar gemacht, dass der Fehler nicht bei der Apotheke liegt, sondern beim Hersteller selbst. Außerdem hat man so direkt die Möglichkeit, den Grund der Nicht-Lieferfähigkeit zu erfragen. Denn das ist ja meistens die nächste Frage, die der Kunde an das Apothekenpersonal richtet. Um hier nicht nur mit den Schultern zu zucken, ist es nötig, sich mit den Gründen auseinanderzusetzen.

Früher war Deutschland die Apotheke der Welt, heute stehen vor allem China und Indien in vorderster Reihe. Europa wurde abgehängt, weil in diesen Ländern alles billiger hergestellt werden kann. Das führt jedoch dazu, dass manchmal ganze Chargen am Zoll hängenbleiben und dadurch später ausgeliefert werden. Meistens werden die wahren Gründe jedoch telefonisch nicht offen gelegt. Die Konzentration der Industrie auf die billigsten Hersteller ist der Grund, warum nur noch wenige große Firmen Wirkstoffe wie zum Beispiel Ibuprofen herstellen. Da weltweit nur noch sechs Firmen in den USA, China und Indien das Schmerzmittel produzieren, kam es nach einem Brand in einem der Werke zu größeren Lieferengpässen.

Auch die Tatsache, dass viele Medikamente in Deutschland schon lange billiger gehandelt werden als im Ausland, ist ein Grund dafür, dass die Firmen ihre Produkte dann lieber dort verkaufen als hier. Hersteller haben von der Bundesregierung keinen Auftrag zur Arzneimittelversorgung der Bevölkerung, daher steuern Angebot und Nachfrage den Markt. Nicht zuletzt sind es Skandale wie bei den Sartanen, die zu Lieferengpässen führen. Ist man in der Lage, das dem Kunden in verständlicher Form zu vermitteln, dann wird ihm bewusst, dass die Apotheken im Grunde genommen im gleichen Boot sitzen wie er selbst. Die Wut über das Fehlen seines Medikamentes wird er somit auch nicht auf ihnen abladen.

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