Jamaika-Sondierung

Kaum Chancen für Rx-Versandverbot

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Berlin -

Seit Wochenbeginn sind sich CDU, CSU, Grüne und FDP auf dem Weg zur ersten Jamaika-Koalition ein gutes Stück näher gekommen: „Die Chancen stehen 70 zu 30 Prozent“, heißt es in der Unions-Fraktion. Kaum noch Hoffnung gibt es hingegen für das Rx-Versandverbot: „Es gab in der Union nie eine Mehrheit dafür und wird sie auch nicht geben.“ Aus gutem Grund habe es in der Unionsfraktion niemals eine Abstimmung über den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln geben, berichtet ein CDU-Abgeordneter.

Wenn also morgen die Jamaika-Unterhändler zusammenkommen, um über die Gesundheitspolitik der kommenden vier Jahre zu verhandeln, dürfte der Rx-Versandhandel kein Stolperstein für die angestrebte neue Regierungskonstellation mehr sein. Zwar hat Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) mehrfach angekündigt, hart für das Rx-Versandverbot zu streiten – aber sein Rückhalt in der Union schmilzt dahin.

Der einflussreiche CDU-Wirtschaftsrat hat sich in einem unter Verschluss gehaltenem Positionspapier gegen Gröhes Linie positioniert. Im Kapitel „Ambulante medizinische Versorgung flächendeckend gewährleisten“ heißt es: „Schließlich spielen auch wohnortnahe Apotheken eine bedeutende Rolle in der medizinischen Versorgung. Zur flächendeckenden Versorgung sollte der Versandhandel für Medikamente unbedingt erhalten werden.“ Das wird nicht ohne Wirkung blieben. FDP und Grüne haben diese Passage gelesen.

Und dies entspricht offenbar auch der Stimmung vieler Unions-Abgeordneten: Die DocMorris-Postkartenkampagne hat dort Eindruck hinterlassen. Bei einem internen Gespräch habe sich ABDA-Präsident Friedemann Schmidt bereits im August „vor versammelter Mannschaft von einem uns grundsätzlich gewogenem Politiker sagen lassen müssen, dass die Postkartenaktion von DocMorris bei allen Fraktionen einen sehr überzeugenden Eindruck zu Gunsten des Versandhandels hinterlassen hatte und viele Abgeordnete, die für ein Rx-Versandverbot waren, umgestimmt hatte“, berichtet ein teilnehmender Apotheker. Die Postkartenaktion der ABDA sei dort als „peinlich“ kritisiert worden.

Ein langjähriger CDU-Abgeordneter bestätigt diese Einschätzung: „Ich habe mehr als 2100 DocMorris-Postkarten erhalten und diese alle persönlich beantwortet. Ich will zwar die Apotheken vor Ort erhalten. Aber ein Verbot des Versandhandels ist dazu nicht der richtige Weg.“ Die neue Jamaika-Regierung müsse stattdessen einen Weg finden, die durch das EuGH-Urteil entstandenen Wettbewerbsverzerrungen auszugleichen. Von der ABDA habe er hingegen nur wenige Postkarten erhalten. „Ich wusste gar nicht, was die von mir wollten“, erzählt der CDU-Abgeordnete.

In wenigen Tagen wird sich also zeigen, was von Gröhes Rx-Versandverbot übrig bleibt, ob sich Zusagen als politische Lippenbekenntnisse entpuppen oder daraus doch noch ein Gesetze werden kann. Fraglich ist zudem, mit welchem Nachdruck Unterhändler Gröhe noch dafür eintritt und welchen Preis die Union dafür zu zahlen bereit wäre.

Denn längst hat hinter den Kulissen die Regierungsbildung begonnen. Es geht um Posten und nicht ausschließlich um politische Positionen. Festzustehen scheint, dass Gröhe als Nummer eins der NRW-CDU ins Arbeits- und Sozialministerium aufrückt. Das Bundesgesundheitsministerium dürfte dann an die Grünen fallen. Als Favoritin gilt Katrin Göring-Eckart, derzeit Fraktionsvorsitzende im Bundestag.

Angela Merkel und Göring-Eckhardt kennen sich gut: Wie Merkel startete Göring-Eckhardt ihre politische Laufbahn während der Wendezeit noch in der in der DDR entstandenen politischen Gruppierung Demokratischer Aufbruch. Merkel trieb es von dort in die CDU. Göring-Eckardt zu Bündnis 90/Die Grünen. Seit 1998 sitzt Göring-Eckardt im Bundestag. Von 1998 bis 2002 war sie Parlamentarische Geschäftsführerin sowie gesundheits- und rentenpolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Görung-Eckhardt kann also auf Erfahrung zurückblicken. Allerdings hat sie sich in die hitzige Diskussion um das Rx-Versandverbot nicht eingemischt.

Auch in ihrem Wahlprogramm haben sich die Grünen zu Apothekenthemen und konkret zum Rx-Versandverbot nicht geäußert. Handlungsspielraum wäre daher gegeben. Dagegen widmete sich die Partei in ihrem gesundheitspolitischen Teil recht ausführlich der ambulanten Versorgung, insbesondere der Versorgung auf dem Land.

Dazu heißt es: „Um zum Beispiel auch dünner besiedelte Regionen besser zu versorgen, brauchen Kommunen und Regionen mehr Einfluss und sollten innovative Lösungen, wie die Gründung von lokalen Gesundheitszentren, vorantreiben. Stationäre und ambulante Versorgung sind stark voneinander getrennt, was viele Nachteile für Patient*innen hat. Wir wollen eine bessere Vernetzung, Koordination und Zusammenarbeit aller im Gesundheitswesen und eine gemeinsame Planung ambulanter und stationärer Leistungen.“ Große Chancen für die Gesundheitsversorgung sehen die Grünen hingegen in der Digitalisierung. Die Partei fordert unter anderem, dass jeder Patient eine elektronische Patientenakte bekommt.

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