Verordnungsfähigkeit

Streit um Pentalong

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Berlin -

Pentalong (Pentaerythrityltetranitrat) ist das wichtigste Produkt von Actavis in Deutschland. Mehr als 1,7 Millionen Verordnungen brachten dem Konzern im vergangenen Jahr 27 Millionen Euro Umsatz mit dem Herzmittel. Doch die Kassen machen Stress: Weil Actavis eine versprochene Studie nicht geliefert hat, ist Pentalong aus ihrer Sicht nicht mehr verordnungsfähig. Möglicherweise sollen Regressdrohungen gegenüber Ärzten aber auch einfach nur Druck in laufende Preisverhandlungen bringen.

 

Seit Mitte 2011 haben Ärzte vor allem in den neuen Bundesländern Schreiben bekommen, in denen sie aufgefordert werden, Pentalong nicht mehr auf Kassenrezept zu verschreiben. Ansonsten drohen Regresse. Die Kassen argumentieren, dass die Nachzulassung des einstigen DDR-Medikaments 2005 vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) abgelehnt worden sei.

Das ist zwar richtig. Nach einem Gerichtsstreit hatten sich Hersteller und Behörde aber darauf geeinigt, dass das Medikament anhand neuer Daten noch einmal geprüft werden sollte. Im Sommer 2011 sollte Actavis eine internationale Studie an mehr als 700 Patienten mit Angina pectoris vorlegen. Mit einem Jahr Verspätung will der Generikakonzern nun im August seine Auswertungen beim BfArM einreichen. Der Hersteller geht davon aus, dass er die Prüfer überzeugen kann und rechnet mit einem positiven Zulassungsbescheid Anfang 2013.

Doch die Kassen torpedieren das Verfahren: „Fiktiv zugelassene Arzneimittel sollten sich bis 2005 einer Nachzulassung unterziehen und den Nachweis von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit erbringen, was bei Pentalong bisher nicht erfolgte. Deshalb ist Pentalong derzeit nicht erstattungsfähig“, sagt ein Sprecher des GKV Spitzenverbands.

Der Verband der Ersatzkassen (vdek) teilt die Auffassung und bezieht sich auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) aus dem Jahr 2005. Damals hatten die Richter im Streit um das ebenfalls fiktiv zugelassene Enzympräparat Wobe-Mugos-E (Mucos) entschieden, dass Klagen gegen Ablehnungsbescheide keine aufschiebende Wirkung haben. Fiktiv zugelassene Arzneimittel müssen also nicht erstattet werden, wenn sie nur noch deshalb verkehrsfähig sind, weil die Ablehnung der Nachzulassung nur durch eine Klage hinausgezögert wird.

 

 

„Das BSG sagt, dass Pentalong aufgrund der Klage nicht mehr verordnungsfähig ist, und das ist für uns bindend“, sagt Birger Rostalski, Arzneimittelreferent beim vdek. Actavis widerspricht: Anders als bei Wobe-Mugos-E gebe es für Pentalong eine frühere DDR-Zulassung, die nach einer vollständigen Bewertung des Arzneimittels erteilt worden sei, sagt Dr. Dirk Stalleicken, Medizinischer Direktor von Actavis. „Behördlich geprüfte Nachweise zur Wirksamkeit und Unbedenklichkeit lagen also bereits zum Zeitpunkt der damaligen Zulassung vor.“ Stalleicken glaubt auch nicht, dass es zu Regressen kommen wird: „Immerhin wurde Pentalong die letzten sieben Jahre erstattet.“

Die Frage, warum Pentalong bislang erstattet wurde, wollten die Kassen nicht beantworten. Sicherheitsbedenken scheint es jedenfalls nicht zu geben, denn aktuell verhandeln einige Kassen mit Actavis über Rabatte. Der Festbetrag des Mittels unterscheidet sich zwar kaum von dem anderer Nitrat-Präparate. Für ISDN (Isosorbiddinitrat) und ISMN (Isosorbidmononitrat) gibt es allerdings bereits Rabattverträge, für Pentalong nicht.

Zu Regressforderungen haben die Drohschreiben der Kassen zwar nicht geführt, doch immer mehr Ärzte stellen ihre Patienten auf andere Nitrate um oder verordnen das Herzmittel auf Privatrezept. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat „auf Wunsch einiger Krankenkassen“ schriftlich klargestellt: Pentalong ist nicht mehr verordnungsfähig. Vertragsärzte, die das Präparat dennoch verschreiben, müssten mit Wirtschaftlichkeitsprüfungen rechnen.

Dagegen sehen Apotheker Probleme: Die Bayerische Landesapothekerkammer (BLAK) etwa warnt vor den Gefahren einer Wirkstoffumstellung für die Patienten: „Der Wirkmechanismus von Pentalong unterscheidet sich in einigen Aspekten von dem der anderen Nitrate. Angesichts des fragwürdigen Ansatzes sollte derartigen Bestrebungen entgegengetreten werden.“

 

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