Depressionen

Ketamin: Wirkung auch über Opioidrezeptoren

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Berlin -

Forscher untersuchen seit einigen Jahren die Wirksamkeit von Ketamin bei depressiven Störungen als schnellwirksame Alternative. Die Mechanismen sind noch nicht vollständig geklärt. Tierexperimentellen Studien zufolge ist der AMPA-Rezeptor daran beteiligt. Eine Studie an Menschen liefert nun neue Daten.

Bislang ist bekannt, dass die Substanz unter anderem eine antagonistische Wirkung am Glutamat-abhängigen NMDA-Rezeptor hat. Die vielfältigen Wirkmechanismen sind noch nicht vollständig geklärt. Wissenschaftler hatten 2016 an Tieren beobachtet, dass eine Einfachdosis von Ketamin eine schnelle antidepressive Wirkung entfaltet und dass diese auch erhalten bleibt. Verantwortlich für die Wirkung wurde der Metabolit Hydroxynorketamin (HNK) gemacht. HNK produzierte bei Mäusen keine Rauschzustände und machte diese auch nicht süchtig. Anders als bei der anästhetischen Wirkung, bei der der NMDA-Rezeptor beteiligt ist, spielte laut diesen Studienergebnissen der AMPA-Rezeptor eine Rolle.

Eine im „American Journal of Psychiatry“ veröffentlichte aktuelle Untersuchung zeigt nun, dass die Wirkungen von Ketamin zusätzlich über Opioidrezeptoren vermittelt werden. Das beobachteten die Wissenschaftler in einer doppelblinde Crossover-Studie mit 30 Erwachsenen, die an einer behandlungsresistenten Depression litten. Die Studienteilnehmer erhielten entweder 50 mg Naltrexon oder ein Placebo vor einer Ketamininfusion (0,5 mg/kg). Die Forscher wollten sehen, ob und welche Effekte der Opioidantagonist auf Ketamin hat. Die depressive Symptomatik beurteilten sie anhand der Hamilton-Skala (HAM-D).

Die Zwischenanalyse zeigte, dass Reduktionen der HAM-D-Werte bei Patienten der Ketamin/Naltrexon-Gruppe signifikant niedriger waren als die der Ketamin/Placebo-Gruppe. Auch in der Sekundäranalyse zeigten die Teilnehmer ähnliche Ergebnisse. Naltrexon blockierte die antidepressiven Wirkungen von Ketamin, die dissoziativen Wirkungen blieben jedoch erhalten. Die Studie wurde deshalb abgebrochen. Die Forscher gehen aufgrund der Ergebnisse davon aus, dass die akute antidepressive Wirkung von Ketamin eine Aktivierung des Opioidsystems erfordert. Im Gegensatz dazu sollen die dissoziativen Wirkungen von Ketamin nicht durch Opioidrezeptoren vermittelt werden.

Ketamin ist aus der Anästhesie und Notfallmedizin bekannt, der Wirkstoff wird als Narkose- und Schmerzmittel eingesetzt. Zudem wird Ketamin in der Behandlung des therapieresistenten Status asthmaticus verwendet. Die Substanz wird zur Anwendung bei Depressionen untersucht. So setzt die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität München die Substanz in der antidepressiven Therapie im Rahmen von Studien ein und beteiligt sich an nationalen und internationalen Forschungsprojekten zu diesem Thema. Auch die Berliner Charité führt Untersuchungen mit Patienten durch.

Depressionen sind biochemisch gekennzeichnet durch ein Ungleichgewicht an Botenstoffen im Gehirn und gehen mit Symptomen wie bedrückte Stimmungslage, Verzweiflung, Antriebslosigkeit, Rückzug aus dem sozialen Leben sowie Schlaf- und Konzentrationsstörungen einher. In schweren Fällen löst die Krankheit Suizidgedanken aus.

Johnson & Johnson analysiert derzeit in Phase-III-Studien (Sustain-1 und Sustain-3) die Sicherheit der Anwendung sowie ein mögliches Abhängigkeits- und Missbrauchspotenzial des potenziellen Arzneistoffs in enantiomerenreiner Form (Esketamin) in Kombination mit einem oralen Antidepressivum. Sustain-1 wurde Ende August abgeschlossen. Mit den Ergebnissen der Langzeitstudie Sustain-3 wird frühestens im September 2021 gerechnet.

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