Abwasserbelastung

Wasserbetriebe wollen Arzneimittelsteuer

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Berlin -

Ein Gutachten im Auftrag des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) empfiehlt die Einführung einer Arzneimittelabgabe von rund 2 Euro pro Packung. Damit sollen die Kosten für eine vierte Reinigungsstufe in der deutschen Trinkwasseraufbereitung finanziert werden. Das Geld soll im besten Fall von den Herstellern selbst kommen oder auf die gesamte Vertriebskette umgelegt werden.

Rund 1,2 Milliarden Euro würde es dem Gutachten zufolge kosten, flächendeckend eine sogenannte vierte Reinigungsstufe einzurichten, die mittels feiner Filter, Aktivkohle und Ozon beispielsweise Feinplastik oder eben Arzneimittelrückstände herausfiltern kann. Da aufgrund des steigenden Arzneimittelverbrauchs und des demografischen Wandels der Schadstoffeintrag in die Gewässer steigt, wird seit längerem über die Einführung einer solchen Stufe diskutiert.

Für deren Finanzierung haben die Gutachtenautoren der Unternehmensberatung Civity drei Optionen erdacht, eine davon ungerecht, eine zweite unrealistisch, wie die Autoren selbst einräumen: So könne man die Kosten zwar über eine eine 14- bis 17-prozentige Erhöhung der Abwassergebühren, also von ungefähr 15,20 Euro pro Gebührenzahler, hereinholen. Allerdings würde das Verursacherprinzip und Lenkungsfunktion ignorieren.

Andererseits könnte man am anderen Ende der Vertriebskette ansetzen, also den Herstellern. Ein Fonds, der auf einer freiwilligen Vereinbarung der pharmazeutischen Industrie beruht, brächte einen geringeren ordnungspolitischen Eingriff und einen geringeren Verwaltungsaufwand mit sich und würde Verursachergerechtigkeit gewährleisten. Allerdings steht ihm die mangelnde rechtliche Verbindlichkeit im Weg.

Schwieriger umzusetzen wäre laut Civity zwar eine Arzneimittelabgabe, diese „setzt jedoch die richtigen Anreize zur Vermeidung von Schadstoffeinträgen und bindet alle Beteiligten entlang der Wertschöpfungskette verursachergerecht in die Finanzierung ein“. Würden die Kosten auf alle Beteiligten – Hersteller, Großhandel, Apotheken, Krankenkassen und gegebenenfalls Patienten – umgelegt, käme dabei dem Gutachten zufolge eine Abgabe von 2,5 Cent pro Tagesdosis oder rund 2 Euro pro Packung heraus.

Medikamente mit hoher Toxizität könnten entsprechend stärker belastet werden. Betrachte man zusätzlich nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimittel, so würde sich der Betrag um bis zur Hälfte verringern. Ein Vorteil gegenüber der Finanzierung durch eine Gebürenerhöhung sei neben der sozialen Gerechtigkeit, dass eine gezielte Einwirkung auf Hersteller und Handel möglich wäre. „Eine Arzneimittelabgabe wirkt positiv auf die Reduktion des Schadstoffeintrags, weil sie eine Verminderung finanziell belohnt“, befinden die Gutachter.

Die große Herausforderung bei dieser Finanzierungsoption: die Vielzahl der beteiligten Akteure und die Überzeugungsarbeit, die für eine ganzheitliche Finanzierung entlang der Wertschöpfungskette notwendig ist. Aus den Reihen der Grünen kommt postwendend Zustimmung zu dem Vorschlag. „Die Pharmaindustrie darf sich nicht länger aus ihrer Verantwortung stehlen“, fordert die Bundestagsabgeordnete Bettina Hoffmann. „Hersteller von Arzneimitteln müssen sich an den Kosten der Wasserwiederaufbereitung beteiligen, soweit sie Wasser mit ihren Medizinprodukten verunreinigen.“ Auch der Verband forschender Arzneimittelhersteller (VfA) stützt die Auffassung von Civity – allerdings eher in dem Punkt mit der Überzeugungsarbeit: Medikamente seien ein Grundbedürfnis der Menschen, erwiderte der VfA auf den Vorschlag. Die Reinigung der Abwässer von Arzneiresten sei deshalb eine eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

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